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Viel Spaß beim Shoppen!
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* Korrektur: Hans Meyer wäre wohl im Sommer wieder frei.
Gorgeous Gergely
Weil Ungarns Weg zur WM in Südafrika über Tirana führt, kommt eine Gruppe internationaler Groundhopper in den Genuss von Albaniens neuer Freiheit.
Ein ausrangierter griechischer Bus bringt uns über die staubige Straße vom Flughafen in die Stadt. Es ist Rush-Hour in Tirana. Die alten Autos der Marke Mercedes Benz drängeln sich im Schneckentempo auf dem Skanderbeg Platz, Verkehrsschlagader der Stadt. Die Luft ist kaum zum Atmen. Aller Anfang ist schwer, denk ich bei mir als wir wie Frogger im C-64 Spiel die Straßen überqueren. Wir sind in der albanischen Hauptstadt, weil Ungarns Weg nach Südafrika auch über Albanien führen muss. Vielleicht ein entscheidendes Spiel im albanischen Nationalstadion, wo seit zwei Jahren keine ausländische Mannschaft mehr gewinnen konnte. Und jetzt sollen dies ausgerechnet die labilen Ungarn schaffen, die seit der 0:6 Schlappe bei der WM ´86 in Mexiko bei keinem großen Turnier dabei waren.
Albanien war lange Zeit das kommunistischste Land des Ostblocks. Enver Hoxha, der stalinistische Führer des Landes brach zunächst die Beziehungen zur UdSSR ab, ging ein Bündnis mit der Volksrepublik China ein und trat schließlich aus dem Warschauer Pakt aus. Die Folge: völlige Isolation und Abschottung. So ist es nicht verwunderlich, dass sich das Land und seine Leute über die erste institutionelle Westanbindung freuen. Knapp 25 Jahre nach Hoxhas Tod steht Albanien kurz vor dem Beitritt zur Nato. „The Miracle of Freedom“ steht deshalb auf einem riesigen Banner über dem Operncafé in dem wir unseren Kaffee schlürfen. Inzwischen ist Tom aus London in Tirana eingetroffen und erzählt, dass einer seiner Lieblingsautoren der Albaner Ismail Kadare sei. Dieser vertrat die Auffassung, das geistig-kulturelle Erbe der Albaner sei das Christentum. Der Islam, dem 70 Prozent der Bevölkerung angehören, wäre lediglich von den Osmanen aufgedrängt worden. Mein Kumpel Robert hat zwischenzeitlich herausgefunden, wann und wo das Abschlusstraining der ungarischen Nationalmannschaft stattfindet. Wir machen uns sofort auf den Weg.
In der Stadionkneipe gibt´s nur Heineken vom Fass. Im Fernseher an der Wand läuft Bremen-Bayern. Gerade wird Naldo wegen einer Notbremse vom Platz geschickt. Ein gutes 0:0, wie ich weiß, da ich selbst im Stadion war. Mit der letzen Delegation schaffen wir es gerade noch in den Innenraum des Qemal-Stafa-Stadions. Sanyi aus Berlin zeigt mir István Kisteleki, den Theo Zwanziger des ungarischen Fußballs, also den Verbandspräsidenten, der ein paar Meter neben uns steht und die Übungen der Spieler beobachtet. Meistens wird Herr Kisteleki im Stadion von den Fans aufgefordert, seine Mutter zu ficken. Heute muss er dies nicht hören. Die ungarischen Fans, die den Schlachtruf „Ria Ria Hungaria“ durch einen Schlitz ins Stadion brüllen, können ihn nicht sehen. Wir haben eigentlich keinen Grund, uns über den Verbandschef zu beklagen, haben wir doch von seinem Verband die Karten fürs Spiel geschenkt bekommen. Nach einer Stunde schickt Coach Erwin Koeman seine Spieler wieder in die Kabine. Er hat schon größere Zeiten erlebt: 1988 wurde er in München Europameister. Die Flutlichter werden ausgeknipst wie Zimmerlampen. Wir verschwinden über den Maria-Terezia-Platz in die Nacht.
„Matchday“, denke ich, als ich am späten Vormittag aufwache. Der Fernsehkanal bringt ausschließlich Musica Popullare - mehr oder weniger dezent verpoppte Balkan-Folklore. Unten präsentiert sich der Rezeptionist schon mit albanischem Trikot, Schal und Hut. Auch auf den Plätzen und Straßen der Innenstadt tauchen mehr und mehr Trikot-Verkäufer auf. Tickets werden gedealt: 100 Prozent Aufschlag: 8 Euro. Schon schlimmere Schwarzmarktpreise erlebt. Für uns ausländische Fans lautet die Maxime indes: „No colours, white sneakers!“
Von unseren Plätzen auf der Hauptribüne aus sehen wir wie Ungarn zunächst schwach ins Spiel kommt. In der 18. Minute bringt er ehemalige Hamburger Berisha eine Flanke herein, doch Stürmer Salihi köpft daneben. Erst nach einer guten Viertelstunde können sich die Ungarn aus dem Klammergriff der Albaner befreien. Immer wieder schaltet sich Tamás Hajnal auf ungarischer Seite in die Angriffsbemühungen ein. 39. Minute: Die Stimmung ist am Ende der ersten Halbzeit auf dem Siedepunkt im Qemal-Stafa-Stadion von Tirana! Rudolf, immer wieder Rudolf, der linke Läufer der Ungarn. Albanische Flaschen prasseln unaufhörlich auf den Rasen hernieder. Jetzt hat Huszti den Ball geflankt, abgewehrt aus dem Hintergrund, Torghelle müsste schießen, Torgehelle schießt, … Sándor Torghelle, oder auch Air Sanyi, wie er liebevoll von den Fans genannt wird, trifft zur Führung für Ungarn.
Zwei Großchancen auf beiden Seiten sorgen für einen spannenden Einstieg in die zweiten 45 Minuten. Erst schießt Torghelle daneben, dann scheitert Salihi am gut aufgelegten Ungarn-Goalie Babos. Tschipri, Tschipri…! So irgendwie hört sich der Schlachtruf der Albaner in ihrer Sprache an. Wir stimmen ein! Zwar haben die Albaner in der zweiten Halbzeit mehr Ballbesitz, doch sind sie nicht in der Lage die ungarische Mannschaft, die das Spiel unter Kontrolle hat, zu gefährden. Die Tschipri, Tschipri- Rufe werden leiser, und zur Welle will auch keiner mehr aufstehen. Wir machen uns unbeliebt, indem wir uns zunehmend frecher und lauter als Ungarn-Fans zu erkennen geben. Wahrscheinlich sind wir auch die einzigen, die Bier ins Stadion geschmuggelt haben. Und das fängt langsam an zu wirken. Letztlich sind wir froh, dass wir im ungarischen Mannschaftshotel sitzen, ohne dem Kerl aus der ersten Reihe begegnet zu sein, der seine Verärgerung über uns mit einer unzweideutigen Geste angezeigt hat.
Flughafen Tirana. „Dieser Spieler hätte eine bessere Note verdient“, sagt der junge Mann in gutem Deutsch neben mir und deutet auf die die Note 5,5 (von10) in der Seite der Sportzeitung, in der die albanische Mannschaft benotet wird. Wir geben uns als Ungarn-Fans zu erkennen. Warum denn Gábor Király nicht mehr für Ungarn spiele, fragt uns unser Gesprächspartner, er habe sehr gerne mit ihm zusammengespielt. Als er unsere verdutzten Gesichter sieht deutet Bersant Berisha auf sein Spielerbild in der Zeitung. Note 5,5 – das hätte wirklich besser sein können für den Kosovo-Albaner, der in den 1990er Jahren mit seiner Familie nach Berlin floh, einen Profi-Vertrag beim HSV bekam und zuletzt in England und Dänemark gespielt hat. Drei Tage später verlieren die Albaner 0:3 in Kopenhagen. Und Ungarn besiegt Malta. Szép volt fiúk! Andreas Bock
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