13.12.12

Peter Neururer

„In schöner Regelmäßigkeit ist Fußball doch immer das Gleiche.“ Diese Fußballweisheit hat uns bekanntlich Hans Meyer geschenkt. Und in diesem Sinne folgen auch die 15 Kapitel des Buchs von Thomas Lötz „Peter Neururer – aus dem Leben eines Bundesliga-Trainers“ zumeist einem festen Strickmuster: Neururer bekommt ein Angebot von einem Verein aus den Niederungen des Profifußballs, bei denen der Vorstand zumeist keine Ahnung vom Fußball hat, unterschreibt unter Verzicht auf ein besseres Gehalt einen Vertrag und führt die Mannschaft zunächst zum Erfolg. Mittelfristig überwirft er sich mit den Vereinsbossen, geht aus Perspektivlosigkeit freiwillig oder wird schlichtweg gefeuert.

Zwischen diesen Episoden erfährt man eine Vielzahl von sportlichen Anekdoten aus den einzelnen Trainerstationen. Beteiligte Personen sind unter Anderen: Toni Polster, Wolfram Wuttke und Dragutin Čelić; Orte des geschehens beispielsweise Recklinghausen, Florida und die Wurstküche von Kickers Offenbach („Gang nach Cabanossi“). Auch findet das Buch einen passenden Kontrapunkt zum Sport als man erfährt, dass sich Peter Neururer in seinem Umfeld einen „exzellenten Ruf als Jointbauer“ verschafft hat.

Erfreulicherweise werden die alten bekannten Neururer-Sprüche nicht allzu sehr strapaziert, z. B. wonach er aufgrund seiner Kenntnisse in Trainingslehre und Psychologie eigentlich Real Madrid trainieren müsse. Hier kann wartet das Buch stattdessen mit einem nahen Verwandten über Neururers aktive Karriere auf: „Ich war Weltklasse, hab aber eben nur in der falschen Liga gespielt.“ „Peter Neururer – aus dem Leben eines Bundesliga-Trainers“ ist aber nicht nur eine Episodensammlung sondern auch Ratgeber. So schreibt der Autor beispielsweise über den Beginn Neururers Trainertätigkeit auf Schalke: „In dieser Situation tut Peter Neururer das, was er immer tut, wenn er nicht weiß, was er tun soll. Er tut das, von dem er weiß, dass er es am besten kann: Peter Neururer sein.“

Im Buch findet sich sogar Selbstkritik Peter Neururers, wobei es mit der Selbstkritik immer so eine Sache ist, wenn ein Buch von einem Journalisten in der Dritten Person geschrieben ist. Neururer soll jedenfalls einsehen, dass sowohl seine ballonseidenen Trainingsanzüge als auch seine Tanzeinlagen im Bochumer Ruhstadion nach Siegen des VfL peinlich waren.

Thomas Lötz ist ein kurzweiliges und interessantes Buch über Perter Neururer gelungen. Aber was sollten wir auch Anderes schreiben wenn Peter Neururer sagt: „Wenn man jemandem keinen Vorsatz nachweisen kann, gilt es Fehler zum eigenen Nachteil, gerade im Sport, zu respektieren.“ Somit würde sich Kritik über Sportbücher geradezu verbieten. Aber wie Sie wissen, verehrte Leserinnen und Leser, bleiben wir vom FohlenKommandO auch bei solchen Ratschlägen standhaft und liefern Ihnen die schonungslose Wahrheit: Das Buch wird den geneigten Leser bestimmt nicht enttäuschen.

16.11.12

Boykott


Immer wieder sorgen Diskussionen zu Ticketpreisen für erhitze Gemüter unter Fans. Auf der einen Seite gibt es Aktivisten rund um “Kein Zwanni für nen Steher”, die sich die magische Grenze von 20 € für ein Stehplatzticket ausgeguckt haben. Auf der anderen Seite sind da Vereine wie Leverkusen, die die Preise für einen Teil der Spiele und damit auch für Gästefans drastisch erhöht haben.

Vielleicht kann eine ökonomische Analyse, warum Bayer so handelt, helfen. Es gibt in dem Zusammenhang mehrere Effekte. Bayer ist für jedes Heimspiel Monopolist. Wenn Borussia dort zu Gast ist, ist Bayer der einzige Anbieter des Produkts “Bayer Leverkusen gegen Borussia Mönchengladbach im Stadion erleben”. Als Monopolist setzt Bayer den Preis so, dass der letzte verkaufte Platz genau den gleichen Ertrag bringt wie er kostet. Typischerweise ist es für einen Monopolisten Gewinn maximierend, die angebotene Menge künstlich zu verknappen, da er, wenn er mehr verkaufen will, den Preis für alle Einheiten senken muss. Ein Ausweg aus diesem Dilemma ist die Preisdifferenzierung, die ja auch in Stadien durch Preisunterschiede zwischen Hauptribüne und Eckenplätzen und vielem mehr betrieben wird. Das heißt im Umkehrschluss aber auch, dass die Vereine, deren Stadien praktisch dauernd ausverkauft sind, also Bayern, Dortmund, Schalke und andere, augenscheinlich die Preise erhöhen könnten und bei einem dann weniger gefüllten Stadien mehr Gewinn machen würden.

Der Grund, warum diese Vereine das eben nicht tun, ist der Schlüssel zu verstehen, warum Leverkusen es doch tut.

Der Eintrittspreis ist nur ein Teil des Ertrags. Mehr Zuschauer im Stadion werden auch mehr andere Produkte konsumieren, also Essen, Bier und Fanartikel. Aber was noch viel wichtiger ist: Viele Zuschauer machen den Stadionbesuch erst zu dem Erlebnis, wegen dessen die meisten Zuschauer überhaupt erst kommen. Viele Zuschauer kreieren Lärm und Stimmung und damit allgemein, was wir Atmosphäre nennen. Erhöhte man hier die Preise, liefe man Gefahr, das Gesamtpaket zu verlieren.

Zurück zu Leverkusen. Jeder, der in Leverkusen schon mal im Stadion war (ähnliches gilt für die üblichen Verdächtigen Wolfsburg und Hoffenheim), weiß, dass Stimmung und Atmosphäre nicht unbedingt die Stärken des Vereins und seines Stadions sind. Die Verantwortlichen sagen sich also: bei niedrigeren Preisen kommen vielleicht mehr Leute, die sorgen aber immer noch nicht für die Stimmung, die wir bräuchten. Also können wir die Preise erhöhen, haben nur minimale Verluste im Zusammenhang mit Atmosphäre, und die Leute, die wegen des Fußballs und vor allem wegen des Gegners kommen, zahlen mehr und der Gewinn ist erhöht. Die Preisdifferenzierung in Hinblick auf die Topspiele gegen Bayern, Dortmund, Schalke, Düsseldorf (!) und Gladbach sind also vor allem damit zu erklären, dass man den vielen externen Fans so möglichst hohe Preise vorsetzt, da diese Gruppen eher weniger preissensitiv sind.

Vor diesem Hintergrund sind Boykotte wie sie “Kein Zwanni” fordert, in Leverkusen eher nützlich als zum Beispiel in Hamburg. Die Hamburger sind im Zweifel auch ohne Gästefans in der Lage, eine Atmosphäre zu kreieren, in der es für alle Beteiligten Spaß macht, zu kommen. Leverkusen kann das nicht, es ist auf die Gästefans angewiesen. Dazu kommt, dass es in den Städten, die weiter entfernt von den Fußballhauptstädten im Ruhrgebiet und im Rheinland sind, viele örtliche Auswärtsfans leben, die sich das einmalige Erlebnis, ihren Verein in der Nähe zu sehen, nicht nehmen lassen. Auch dieses Problem ist in Leverkusen gelindert.

30.9.12

Favre und die Medien

Nun ist also das eingetreten, auf das man sich in stillen Momenten im Sommer schon vorbereitet hatte. Borussia hat an der Umstrukturierung der Mannschaft und der europäischen Herausforderung kräftig zu knabbern. Dass Reus nicht zu ersetzen wäre und dass damit eine Umstellung des Spiels erfolgen musste, stand schon länger fest. Nun scheint es so, dass gerade der Unscheinbarste der Abgänge, Roman Neustädter, das größte Loch gerissen hat. Neustädter konnte den Zuschauer zur Weißglut treiben mit seinem trägen Spiel nach vorne, aber er hielt nach hinten den Laden zusammen. Das konnte man sich auch in den meisten Spielen erlauben, da die Offensivabteilung mit Reus, Arango, Hanke und Herrmann kongenial funktionierte. Aber auch schon in der Rückrunde der letzten Saison gab es Spiele, in denen das ineffektiv war und der fehlende Impuls der Sechster auffiel. In diesem Sinne - und das ist wichtig zu verstehen - hätte eine Weiterentwicklung des Spiels auch bei einem Verbleib von Reus stattfinden müssen.

Die Umstrukturierung der Mannschaft ist das eine und ich habe großes Vertrauen in die sportliche Leitung, dass dies früher oder später funktionieren wird.

In der Bundesliga ist aber entscheidend, wie man sich in den Medien verkauft und gewisse Mechanismen der Presse können negative Effekte auf das Sportliche haben. Hier fällt mehr und mehr auf, wie unprofessionell Favre mit der Presse umgeht. Favre hat die Angewohnheit, sofort nach Spielen umfangreiche und detaillierte Analysen der Probleme kundzutun. Das ist interessant und macht ihn einzigartig, doch er sollte sich darüber im Klaren sein, was das bei den zuhörenden Journalisten bewirkt. Wenn er nach dem Kiev-Spiel analysiert, dass die vorhandenen Stürmer zu ähnlich seien, macht die versammelte Presse von Bild und Rheinischer Post daraus eine Kritik an Eberl, der für den Kauf verantwortlich ist. Seine Taktikkritzeleien auf Papierservietten sind den Journalisten immer ein paar augenzwinkernde Anekdötchen wert, sind aber im Grunde doch Perlen vor die Säue. Man kann nicht wirklich glauben, dass die Journalisten in der Pressekonferenz sich erstens wirklich dafür interessieren, noch dass sie es verstehen.

Jetzt ist Favre schon soweit, dass er die Einstellung der Spieler im Fernsehen kritisiert, was natürlich ein gefundenes Fressen für die begleitenden Chronisten ist. Wie man es richtig macht, hat Hitzfeld jahrelang beim FC Bayern bewiesen. Stoisch hat er in jedem Statement darauf hingewiesen, man müsse "kompakt stehen". Damit sagte er natürlich nichts wirklich, aber das musste er auch nicht. Es reicht doch, dass man den Anschein kreiert, sich um die Presse zu kümmern. Die taktischen Feinheiten kann er ja mal in einem ruhigen Moment mit den Jungs von spielverlagerung.de besprechen.

14.8.12

Löws Wutrede im Wortlaut

Nach dem Spiel gegen Italien gab es, gab es natürlich vielerlei Kritik in verschiedenster Form, dieser Kritik der sportlichen Kritik der sportlichen Kritik was die sportlichen Dinge betrifft nehme ich an, mit allem Verstand und natürlich auch mit aller Demut mit aller Demut und versuche natürlich auch da die Lehren draus zu ziehen Aber ich denke wir alle, wir alle, Sie, ich war stets bemüht, war stets bemüht, zu sagen was diese Mannschaft für eine gute Qualität hat was, was diese Mannschaft für eine hervorragende Aussen-, denn, -darstellung hat und wir waren alle stolz darauf, alle, dass diese Mannschaft eben auch extrem viel für die Integration in Deutschland eben auch tut und in den vergangenen Jahren getan hat. Und Teile dieser Kritik, Teile dieser Kritik halte ich, halte ich ganz einfach nicht für zielführend und ermüden mich.

Zum Einen, Punkt eins - die Leitwolfdiskussion: Mit dieser Mannschaft und dieser Struktur der Mannschaft und mit diesen Führungsspielern haben wir in den letzten zwei Jahren enorme Fortschritte gemacht und wir haben fast alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt. Und diese Spieler, Philipp Lahm, Bastian Schweinsteiger, Miroslav Klose, und einige andere, die haben das, was ich von Ihnen erwartet habe, hervorragend gemacht. Viele Mannschaften mit ihren, ich sag’s mal in Anführungszeichen, mit ihren klassischen Führungsspielern, die sind lange vor uns eben auch nach Hause, äh, gefahren.

Heute haben wir einen anderen Typus von Fußballer und einen anderen Typus von Führungsspieler. Und bei uns innerhalb der Mannschaft gibt es keine flache Hierarchie. Wir haben ne klare Struktur und wir haben ne Führungsspieler, die absolut auch hier ganz klar in die Verantwortung gehen, die ihre Meinung sagen, die einfach auch für Ergeiz und für Disziplin und für den Willen stehen eben auch die Spiele zu gewinnen eben auch wenn sie mal einen schlechten Tag erwischen. Aber diese Diskussion halte ich nicht für in Ordnung und werde ich auch denk ich mal in Zukunft nicht mehr führen wollen, weil diese Spieler haben gezeigt, das sie in der Lage sind eben auch eine Mannschaft zu führen und diesem Führungsanspruch, dem auch absolut gerecht zu werden.

Weil sie glauben ja nicht, das glauben sie ja wohl auch nicht, dass vielleicht Millionen von Leuten zuhause vor dem Fernseher sitzen und vielleicht Millionen von Leuten auf den Straßen beim Public-Viewing sind, wenn da keine Siegertypen auf dem Platz stehen würden, und von daher denke ich, dass diese Spieler diese Aufgaben auch hier mit, mit, mit einer großen Investition gelöst haben und wir schon auch Spieler haben, die absolut dieses, diese Sache verkörpern nämlich auch Spiele gewinnen zu wollen und das haben wir auch des Häufigen und des Öfteren bewiesen.

Der zweite Vorwurf der ja immer wieder im Raum steht: Spieler mit Migrationshintergrund singen die Hymne nicht und verstehen dann vielleicht auch im ein oder anderen Spiel nicht zu kämpfen und was ich eigentlich auch fatal finde, dass ihnen dann so noch ein bisschen unterschwellig, unterschwellig so ein bisschen auch den Vorwurf macht und man das auch manchmal wieder so ein bisschen raushört, ne, dass sie vielleicht auch dann keine guten Deutschen sind. Und das finde ich eigentlich, äh, das finde ich schlecht. Die Hymne zu singen, die Hymne zu singen, ja, das ist schön, das ist wunderschön. aber das ist noch lange, noch lange keinen Beleg dafür, noch lange kein Beleg dafür, für die Qualität einer Mannschaft und schon gar kein Beweis dafür, vielleicht für die Unlust zu kämpfen, das schon gar nicht, weil unsere Spieler die mit, die Migrationshintergrund haben, die haben für die Außendarstellung für Deutschland, für die Integration enorm viel getan, auch wenn sie mal hier die Hymne hier nicht singen, bereiten sich anders frei, anders vielleicht vor, aber identifizieren sich mit unserem Trikot und natürlich auch mit der Nationalmannschaft und mit Deutschland. Ich denke, dass haben unsere Spieler Özil, Khedira und, und, und häufig genug bewiesen.

Und der nächste Vorwurf, der mir auch nicht gefällt, ist immer so, die Spieler sind verwöhnt. Wir erwarten von jedem Spieler hier, der hier bei uns bei der Nationalmannschaft, äh, zur Nationalmannschaft kommt wir erwarten Spitzenleistungen, wir erwarten eine Top-Performance auch wenn nicht jedes Spiel gewonnen werden kann Und deshalb haben wir alle, wir alle, und auch beim DFB hier, wir haben andere Aufgabe, andere Aufgaben, aber die müssen genauso perfekt eben auch ausgeführt werden und genauso perfekt laufen. Und es sind die Voraussetzung zu schaffen, um eben auch diese Spitzenleistung dann abzuverlangen. Und äh, auch die Spanier haben einen Koch, und kochen nicht selber und fahren nicht nur mit dem Bus und haben eben auch die anderen Voraussetzungen geschaffen, haben alle andere Nationen auch und ich denke dass unsere Spieler eben auch immer das zum Einen wertgeschätzt haben und trotz allem alles gegeben haben und ich denke da konnten Sie sich bei einigen Trainings, die Sie zugeschaut haben, denke ich auch überzeugen, dass unsere Spieler in der Vorbereitung in diesem Wochen vor dem Turnier und während dem Turnier eben auch alles dafür getan haben, um erfolgreich zu sein

19.6.12

Glattes zu Null

Wir Deutschen sind bei dieser Fußball-EM nun wirklich nicht zu beneiden. Obwohl wir mit unserer Nationalelf die bis dato erfolgreichste Mannschaft stellen, werden wir nicht von der ZDF-Berichterstattung verschont. Dieses greift nämlich jeden Tag mit dem Duo Katrin Müller-Hohenstein und Oliver Kahn über den Usedomer Strand an. Die Kritiken sind ebenso eindeutig wie zutreffend: Kahn und "KMH" – das ZDF-Debakel auf Usedom, Mario Klose und die Usedomina, Ach, das ist gar nicht Danzig!,...

Die Kritiken sind schnell zusammengefasst: Unterhaltungswert? Null! Stimmung? Null! Erkenntnisgewinn in Sachen Fußball? Null!

Wie zu erwarten war, weisen die beiden Protagonisten jegliche Kritik zurück, ohne auch nur einen Deut auf selbige einzugehen («trifft mich null.», «Es ist auch bald mal gut»). Dabei trifft die beiden nur eine Teilschuld. So können sie für das dürftige Wetter an der Ostsee nun wirklich nichts. Und der Umstand, dass man Spiele analysieren soll, von denen man nur die Ausschnitte gesehen hat, die das Fernsehbild einem geliefert hat, macht die Sache auch nicht einfacher. Für Mehmet Scholl war es einfach, Mario Gomez für seinen angeblich zu geringen Einsatz zu tadeln; schließlich konnte es Gomez das ganze Spiel im Stadion beobachten. Im Fernsehbild war Gomez kaum zu sehen, insofern war es für den Fernsehzuschauer schlicht nicht möglich, Gomez' Leistung seriös zu beurteilen.

Dass aber auch ansonsten die Analysen von Kahn und Müller-Hohenstein nichts, aber auch gar nichts Erhellendes zu Tage bringen, sich die halbe Zeit mit Twitter und anderen Nebensächlichkeiten beschäftigt wird und die beiden über den Unterhaltungswert eines ostdeutschen Liegestuhls verfügen, dafür werden sie eigentlich noch viel zu wenig kritisiert.

16.5.12

Relegationsspiele

Im Zusammenhang mit den Geschehnissen beim gestrigen Relegationsspiel wird hier und da auch pauschal eine Abschaffung derselben gefordert. Es scheint, dass bei vielen Fans sich die Idee eingebrannt hat, dass 3 Absteiger (und damit auch Aufsteiger) "gerecht" seien. Ist das so? Was ist ein Vergleichsmaßstab, der gerade 3 von 18 Vereinen absteigen lassen soll? Mir scheint, dass das eher aus Gewohnheit geschieht als aus irgendeiner Überlegung. Jede Zahl wäre natürlich willkürlich, aber ein Vergleich sowohl dazu, wie es früher in der Bundesliga war als auch wie es in anderen Ligen ist, erscheint hilfreich.

Interessant ist, dass es von 1964 bis 1974 in der Bundesliga nur zwei Absteiger bei 18 Vereinen gab. Von 74 bis 82 gab es drei Absteiger und danach bis 1991 zwei direkte Absteiger und die Relegation, die 91 abgeschafft und 2008 wieder eingeführt wurde. Über die Zeit haben wir also eine Wellenentwicklung, Perioden in denen es vergleichsweise einfacher ist abzusteigen wechseln sich ab mit Perioden, in denen es schwieriger ist.

In anderen großen europäischen Ligen in Italien, Frankreich, Spanien und England gibt es jeweils drei Absteiger bei 20 Mannschaften. In diesen Ligen steigen also 15% der Teilnehmer ab. In Deutschland waren es bis 2008 knapp 17%. Nach Wiedereinführung der Relegation ist diese Zahl gesunken auf eine Bandbreite von 11% (zwei Absteiger) bis 17%. Es macht Sinn, die Wahrscheinlichkeit, dass er Erstligist die Relegation für sich entscheidet, ein wenig höher einzuschätzen. Nehmen wir an (absolut willkürlich natürlich), die Wahrscheinlichkeit für einen Sieg des Erstligisten wäre 2/3, dann würden in der Erwartung ein bisschen weniger als 15% der Teilnehmer absteigen.

Das bedeutet schlicht und ergreifend, dass die Bundesliga mit der Relegation sich ganz einfach den europäischen Begebenheiten angepasst hat. Man kann davon halten, was man will. Wirtschaftlich gesehen kann es Sinn machen, die Gefahr abzusteigen allgemein zu verringern, um Investitionen der Vereine ein wenig sicherer zu machen. Die Kunst ist es, die richtige Abwägung zwischen Sicherheit und Spannung zu finden. In den amerikanischen Sportligen geht man in ein Extrem (keine Abstiege, dafür Playoffs, die Spannung generieren). Die verschiedenen Reformen über die Jahre zeigen, dass man lange auf der Suche sein kann, die richtige Abwägung zu finden. Oder sie ändert sich mit den Präferenzen der Beteiligten über die Zeit.

20.3.12

Klassenerhalt

Beinahe hätten wir es in aller Aufregung um das kommende Pokalspiel verschlafen, aber Borussia hat den Klassenerhalt geschafft. Borussia hat 51 Punkte. Bei 8 Spielen kann Freiburg als Tabellen-16. mit aktuell 25 Punkten maximal 49 Punkte holen.

Nachdem auch das eigentliche Saisonziel (40 Punkte plus X) schon vor Wochen erreicht wurde, kann man sich in Mönchengladbach nun in aller Ruhe ein neues Ziel suchen - der gesichterte Mittelfeldplatz zum Beispiel. Dieser wäre mit drei weiteren Punkten auch erreicht...

15.3.12

Zahllos zahnlos

Sie wissen, verehrte Leserinnen und Leser dieses unscheinbaren Mauerblümchens von einem Blog, dass das FohlenKommandO eiserne Prinzipien wie Werbefreiheit oder Nicht-über-Murks-Schreiben hochhält. Andererseits gibt es Dinge auf der Welt, die nun mal wichtiger sind als die Befindlichkeiten einer Redaktion - die Volksgesundheit zum Beispiel. So haben wir entgegen unseren Grundsätzen mit nicht zu verhehlendem Erfolg vor zwei Jahren eine Kampagne gegen Fußpilz unterstützt und was ist draus geworden? Seitdem sind im deutschen Profifußball keine Fußpilzerkrankungen publik geworden. Ein solcher Erfolg ist für uns Ehre und Verpflichtung zugleich, so dass wir uns nun ans andere Körperende begeben möchten.

Es ist auf den ersten Blick vielleicht nicht nachvollziehbar, was Fußball mit Zähnen zu tun hat, außer dem offensichtlichen Versuch, sich der Bevölkerung anzubiedern. Das macht bekanntlich jeder Provinzpolitiker so. Achten Sie mal drauf, wie viele politische Reden im Hinblick auf die kommende EM wieder mit Fußballmetaphern geschmückt sein werden. Diesmal ist die Verbindung aber viel einfacher herzustellen. Dass die Zähne für Fußballspieler wichtig sind, hat nicht erst Christoph Daum erkannt („Wenn der Kopf funktioniert, ist das wie ein drittes Bein“, wobei unklar ist, ob Daum seine Zähne oder anderes Interieur seines Hauptes meinte). So linderten sich die Muskelprobleme bei Chelseas Florent Malouda erst, nachdem ihm ein Weisheitszahn entfernt wurde. Wussten Sie eigentlich, dass Helmut Zahn in der Achtzigern 86 Bundesligaspiele für Darmstadt und Karlsruhe gemacht hat (3 Tore)? Egal. Wer erinnert sich nicht an das Zahnwunder Ronaldinho oder an Marcelinho, der mehrmals einen Zahn beim Fußballspielen verlor? (Wenn wir ehrlich sind, wir nicht so richtig. Wir mussten das erst googlen.) Außerdem muss man schon mal "auf die Zähne beißen". Und schließlich hat nicht jeder so ein Glück wie Patrick Battiston, der die Rechnung für seine Jacketkronen an Toni Schumacher weiterreichen konnte. Jawohl, Zähne und Fußball, das passt.

Irgendein Hersteller von neuartigen Zahnspangen hat den oben genannten Zusammenhang ebenfalls erkannt und veranstaltet nun Fußballcamps mit Matthias Sammer. Uns liegt die Zahngesundheit sehr am Herzen, so sehr, dass wir sogar bereit sind, auf den offensichtlichen Witz hier zu verzichten, nämlich, warum man nicht Oliver Kahn für eine Kampagne zu Zähnen genommen hat statt Matthias Sammer, blinzel blinzel. Matthias Sammer passt doch nun wirklich besser für eine Kampagne zur richtigen Dosierung von Ritalin. Leider sucht man bei der Abstimmung wo die zukünftigen Camps stattfinden sollen FohlenKommandO-Hochburgen wie Hückelhoven-Baal, Gustorf-Gindorf oder Schwalmtal-Amern vergeblich. Kennen Sie eigentlich den Hit von Willy Millowitsch - Woher Hat Denn Mein Scheisserchen So Wunderschöne Beisserchen? Noch nicht?

Wollten wir nun noch etwas Grundsätzliches besprechen, böte sich sicherlich die Frage an, wie man einen Artikel wie diesen beendet. Haben Sie eine Idee? Was würden Ihnen gefallen? Vielleicht könnte man mit einem Appell an das Zähneputzen aufhören, etwas in der Art von: Von jetzt an zweimal täglich gründlich schrubben und mittags ein Zahnpflegekaugummi! Oder vielleicht würden Sie einen knackigen Aphorismus bevorzugen: "Am Morgen die Bürste und der Tag ist dein Freund!" Oder vielleicht eine Warnung mit bescheuertem Sprachwitz: "Die Mundfrische hängt an einem zahnseidenen Faden." Suchen Sie sich etwas aus!

9.3.12

Jetzt aber mal halblang

Die Kollegen von seitenwahl.de gelten eigentlich als besonnene Beobachter des Geschehens rund um Borussia, was sich in träge mäandernden Sätzen widerspiegelt, vollgerammelt mit einer quälenden Abfolge von Adverb und Adjektiv und gespickt mit Relativsätzen, die jedes Maß verloren haben. Vor allem hat man bei allem Fansein doch einen reservierten und abwägenden Blick auf das Geschehen. Doch nun scheinen die Macher enttäuscht von der Undankbarkeit der Gladbacher Profis und wärmen nebenbei allerhand Gerüchte rund um Ausstiegsklauseln und Vereinswechsel auf.

Wenn ich kurz abschweifen darf. Eine Erfahrung, man kann fast von einer frühkindlichen Prägung sprechen, mit Vereinswechseln hat mich zu einem Stoiker in dieser Hinsicht gemacht. Im Jahr 1987 wollte Eindhoven den damaligen Gladbacher Uwe Rahn kaufen. Borussias Management widerstand der Versuchung und hielt Rahn, indem man eine astronomisch hohe Ablösesumme verlangte. Verständlich: Rahn war Nationalspieler und war ein recht verlässlicher Torschütze. Was man nicht ahnte damals: Rahn war auf dem Zenit seines Schaffens, danach ging es nur noch bergab.

Womit wir bei Reus et al. und in der Gegenwart des "modernen Fußballs" wären. Der Kommentar auf seitenwahl.de stösst sich an einer Aussage Reus gegenüber der Sportbild, in der er für Verständnis wirbt, wenn ein Spieler wie Dante "einen letzten großen Vertrag" abschließen will und bei einem "Top-Klub" in der Champions League spielen kann. Besonders gemein findet seitenwahl.de letzteres, da Borussia selbst doch noch die Möglichkeit habe, in der Königsklasse aufzulaufen.

Die Einlassung ist vor allem amüsant. Von einem Interviewschnipsel auf den Charakter einer ganzen Mannschaft zu schließen, wie es der Artikel im weiteren Verlauf dann tut, ist mindestens gewagt. Überhaupt eine berufliche Weiterentwicklung als charakterlos zu bezeichnen, erscheint mir eine mutige Interpretation. Nehmen wir an, Dante habe wirklich berechtigte Chancen, bei der WM in zwei Jahren zu spielen (er wäre dann 30 Jahre alt), wenn er sich auf großer Bühne zeigen könnte, dann wäre ein Stammplatz bei Bayern natürlich besser für ihn als ein Stammplatz bei Borussia. Auch wenn beide in der CL spielen sollten. Ich würde wechselwilligen Spielern nie vorwerfen, undankbar zu sein oder charakterlos. In einigen Fällen sind sie vielleicht kurzsichtig und verblendet und überschätzen ihre Fähigkeiten, Marin erschien mir so, Sahin bei Dortmund und unter Umständen Neustädter in Zukunft. Auch ein Dante könnte persönlich vielleicht von einem Trainer Favre mehr profitieren als von einem Trainer Heynckes. Aber darum geht es ihm wahrscheinlich gar nicht. 

Ärgerlich wird es, wenn seitenwahl.de Transferpolitik beurteilen will, aber vom Geschäft als Ganzes und den Einzelheiten der Verträge überhaupt keine Kenntnis hat, die über Gerüchte aus Bild, Express und RP hinausgingen. Man kann mittlerweile nicht mehr umhin, anzuerkennen, dass Eberl etwas vom Fach versteht. Während er sich öffentlich manchmal ungeschickt anstellt, hat er in Transfers wieder und wieder ein glückliches Händchen gezeigt. Eine Ausstiegsklausel "lächerlich" zu nennen, deren Existenz und Höhe nie bestätigt wurden, ist lächerlich. Und wenn seitenwahl.de schreibt, "Auch für nicht zur Hysterie neigende Beobachter ist all das trotz der bisher so positiv verlaufenden Saison ein Ärgernis, es trübt die Freude über das schon Erreichte und es trübt den Optimismus, was sich darüber hinaus noch erreichen lassen wird", stellt sich die Frage, woher die Eintrübung denn kommt? Sie kommt von der Beeinflussung durch die tägliche Berichterstattung und Schwarzmalerei durch Spiegel, Express und RP! Jeder Anhänger kann selbst entscheiden, ob er sich von jenen, die durch Aufbauschung und Gerüchten ihr Dasein finanzieren, die unerwartet erfreuliche Saison vermiesen lässt.

Denkt jemand ernsthaft, dass Borussia mittelfristig in der Champions League regelmäßig vertreten sein wird? Eine "Achse" über Jahre zu erhalten, hat doch selbst Werder Bremen trotz einiger Erfolge nicht geschafft. In der Nahrungskette der Profivereine stehen wir in der Mitte: wir kaufen Reus aus Ahlen (denen mit dem zusätzlichen Verlust von Großkreutz zu dem Zeitpunkt die entscheidende Achse wegbrach), verkaufen ihn an Dortmund. Und es kann gut sein, dass er von dort weiterzieht zu einem europäischen Spitzenverein. Die Kunst ist doch, sowohl die Zeit zu nutzen, in der der Spieler da ist, als auch den Übergang erfolgreich zu gestalten. Ersteres ist mit Reus sehr gut gelungen und ich bin fest davon überzeugt, dass es Eberl und Favre gelingen kann, eine Mannschaft zusammenzustellen, die besser ist als die jetzige und weniger auf Reus angewiesen ist. Man braucht ein bisschen Glück und unter Umständen sehr viel Zeit. Vor allem braucht man aber Ahnung vom Geschäft.

27.2.12

Wir müssen über Lucien sprechen

Die anhaltende Erfolgsphase der Borussia, die, noch ungeschlagen in der Rückrunde, sich anschickt, in der nächsten Saison in der Champions-League(!) zu spielen, lässt mich vielleicht besser verstehen, was Helmut Grashoff meinte, als er von seiner "launischen Diva" sprach. Es scheint, dass die Stimmung um den Verein zumindest teilweise unabhängig von der sportlichen Situation ist. Malten einschlägige Medien vor Jahresfrist (nicht völlig zu Unrecht) noch den Teufel des Abstiegs an die Wand, wird das Interweb heuer mit immer neuen Ausverkaufsszenarien gefüllt.

Es ist müßig, über die Einzelschicksale von Dante und neuerdings auch Herrmann und Nordtveit zu sprechen. Vielleicht gehen sie, vielleicht nicht. Interessant wird die Sache aber, wenn es um Favre selbst geht. Der Trainer muss sich langsam vorkommen wie der Präsident der amerikanischen Notenbank, bei dessen Reden jede einzelne Formulierung auf die Goldwaage gelegt wird, um irgendwie herauszukitzeln, ob die Zinsen bald um viel Punkte gesenkt werden. Man hat das Gefühl, dass Favre sich nicht immer ganz darüber im Klaren ist, was seine Aussagen bewirken. Wenn er nicht über seine vertragliche Zukunft reden will, mit der Begründung sich auf das Fußballerische zu konzentrieren ("das nächste Spiel"), versteht die Presse: er ist unsicher, ob er bleiben soll. Wenn er darauf hinweist, dass die Breite seines Kader es schwer macht, Ausfälle wie den von Herrmann zu kompensieren, wird daraus: Favre bereitet seinen Abgang vor.

Vielleicht hätte man von Seiten der sportlichen Führung das Thema gar nicht erst so groß werden lassen und sogar mit anheizen dürfen. Eberl hat vor ein paar Wochen selbst im Doppelpass-Interview angekündigt, dass man mit Favre in Gesprächen über eine vorzeitige Verlängerung sei. Das könnte ein Fehler gewesen sein. Alternativ hätte er auch sagen können: Favre "hat Vertrach" bis 2013, im Sommer setzen wir uns zusammen. Wenn das die offizielle Linie wäre, könnte man alle weiteren Nachfragen mit diesem Hinweis abprallen lassen. So aber wissen alle, dass es Verhandlungen gibt, und solange kein weißer Rauch aus der Geschäftsstelle aufsteigt, gibt es weitere Spekulationen darüber, dass es immer noch keinen Abschluss gibt.

22.2.12

Haben die Bayern einen Minderwertigkeitskomplex?

Auffallend für den milde parteiischen Beobachter ist die konstante Sorge der Verantwortlichen des FC Bayern München, auf die herausragende Stellung des Vereins in Deutschland einerseits und die Wettbewerbsfähigkeit in Europa andererseits hinzuweisen. Beides ist in der Häufigkeit kontraproduktiv und zutiefst peinlich für alle Beteiligten. Die Spieler Lahm und Schweinsteiger äußern sich regelmäßig dazu, dass die Bayern immer den besten Kader haben werden. Lahm sieht sich auf Augenhöhe mit dem FC Barcelona. Rummenigge sieht Schweinsteiger in einer Liga mit Xavi et al., und vieles mehr.

Woher kommt das? Die Fixierung auf Barcelona hat vielleicht etwas damit zu tun, dass die Bayern eine tiefe Unfairness empfinden ob der Finanzierungskonstrukte der spanischen Vereine, die mehr Schulden machen als langfristig gesund erscheint. Hier auf der einen Seite der FC Bayern als ehrbarer Kaufmann, der ein üppiges Festgeldkonto aufweist und nie säumig ist, dort die verschwenderischen Katalanen. Ein Grund ist sicher die Umverteilung der Bundesliga, die für geringere Fernseheinnahmen der Bayern gegenüber den spanischen und englischen Vertretern sorgen. Und das ist die Verbindung zum nationalen Komplex der Bayern: die Umverteilung sorgt nicht nur dafür, dass die Bayern in Europa nur die 2. Geige spielen, sondern auch, dass die nationale Konkurrenz ihnen mir nichts, dir nichts auf der Nase herumtanzen kann. Das führte dazu, dass Lahm nach der in Höhe und in der Art des Zustandekommmens heftigen Niederlage in Gladbach zu Rückrundenbeginn trotzig die Gladbacher als nicht so wichtig darstellte.

Wirklich erstaunlich ist aber, dass die Verantwortlichen nicht einfach mal nichts sagen können. Warum muss man ständig sich und der Welt versichern, wie gut man ist? Warum macht man Aussagen wie Schweinsteigers "Wenn wir so spielen wie zeitweise in der Vorrunde, wird es schwer, uns zu stoppen", nur um im Nachhinein zu erkennen, dass eben das der Grund ist, dass jetzt die letzte Mannschaft in der Bundesliga (und Basel?) weiß, wie die Bayern zu stoppen sind. Warum redet man nicht konsequent jeden Gegner stark, wie es Favre zum Beispiel macht?

Es kann sein, dass die berühmte "Abteilung Attacke" der Bayern, also verbale Angriffe auf die Konkurrenz – obgleich grob unsportlich – in bestimmten Fällen den entscheidenden Vorteil geben kann. Nur, wenn man wiederholt den Mund sehr voll nimmt, aber dann nicht liefert, wirkt es irgendwann lächerlich und schwach. Vor allem, wenn man dann den Schuldigen woanders sucht, bei den Platzverhältnissen (Schweinsteiger) oder bei den Schiedsrichtern (Hoeness, Rummenigge).

Niemand in Deutschland spricht den Bayern ihre herausragende Stellung ab und sie sind wohl im Moment die einzige deutsche Mannschaft, die von europäischen Schwergewichten wirklich ernst genommen wird. Woher kommt dann diese tiefe Unsicherheit in die eigene Stärke?

10.2.12

Kleine Regelkunde

Die Aufregung war groß, als Igor de Camargo in der 100. Minute des DFB-Pokalspiels gegen Hertha BSC zu Boden ging und Schiedsrichter Felix Brych daraufhin auf Elfmeter und Rote Karte für Roman Hubnik entschied.

Bevor 82 Millionen Schiedsrichte jetzt „Fehlentscheidung“ schreien, sollten wir die Szene nochmals genauer und in Einzelheiten Revue passieren lassen. Was ist passiert? Hubnik und de Camargo laufen auf das Tor von Hertha zu, de Camargo rempelt Hubnik leicht, der daraufhin einige Schritte später zu Fall kommt während Torwart Kraft den Ball schon aufgenommen hat. Schiedsrichter Brych entscheidet auf Vorteil um Hertha die Möglichkeit einer schnellen Spieleröffnung zu geben. Dies ist nicht zu beanstanden.

Das Spiel läuft also weiter als Hubnik auf de Camargo zuläuft, ihn auf den Fuß tritt und mit dem Oberkörper bedrängt. De Camargo nimmt den Kopf leicht nach vorne, so dass Hubniks Nase de Camargos Stirn berührt. De Camargo lässt sich fallen und täuscht einen Kopfstoß vor. Schiedsrichter Brych entscheidet zunächst auf Elfmeter. Nach Regel 12 ist auf Strafstoß zu entscheiden, wenn ein Spieler im eigenen Strafraum einen einen Gegner fahrlässig, rücksichtslos oder mit unverhältnismäßigem Körpereinsatz bedrängt, vorausgesetzt, der Ball ist im Spiel. Dies war in der Situation gegeben. Hubnik hat de Camargo rücksichtslos bedrängt und das Spiel war nicht unterbrochen. Die Entscheidung auf Strafstoß ist also richtig.

Zudem entscheidet der Schiedsrichter auf Feldverweis für Hubnik. Dafür müsste dieser entweder ein grobes Foulspiel oder eine Tätlichkeit begangen habe. Beides ist nicht ersichtlich, die Entscheidung auf Feldverweis somit falsch.

Interessant ist die Einlassung von Herthas Trainer Skibbe zu diesem Fall: „Das war eine Unsportlichkeit und kein Elfmeter.“ Nach den Fußballregeln liegt unsportliches Betragen unter anderem vor, wenn ein Spieler „eines der sieben Vergehen, die mit einem direkten Freistoß geahndet werden, rücksichtslos begeht". Der Spieler ist dann zu verwarnen. Eine Unsportlichkeit ist also mehr als ein gewöhnliches Foul, man könnte sagen: ein gelbwürdiges Foul. Somit sagt auch Skibbe implizit, dass die Entscheidung auf Strafstoß richtig war.

Im Ergebnis muss man also festhalten, dass das Spiel nicht durch eine Fehlentscheidung des Schiedsrichters entschieden wurde.

30.1.12

Spannende Bundesliga

Die "Vierkampf" um den Titel sorgt für allgemeine Spannung in der Bundesliga und lässt auf eine unterhaltsame Rückrunde hoffen. Wie verhält sich die aber die jetzige Konstellation zu früheren Jahren? Eine schnelle erste Antwort kann ein Vergleich der durchschnittlich erreichten Punkte in "normalen" Jahren mit denen in dieser Saison liefern. Die folgende Grafik zeigt die Punkte pro Platzierung in dieser Saison nach dem 19. Spieltag (rote Linie) und die Durchschnittspunkte der letzten 4 Jahre (schwarze Linie, zum selben Zeitpunkt).



Der graue Bereich um die schwarze Linie zeigt die Standardabweichung pro Platz nach oben und unten, also eine simple Form von Konfidenzintervall. Interessant sind also die Bereiche, bei denen die rote Kurve außerhalb des grauen Bereichs verläuft.
Was lässt sich erkennen? Zunächst erscheint die rote Kurve "stufiger". Im Durchschnitt der letzten Jahre war der erste der Tabelle tatsächlich schon weiter enteilt mit rund 4 Punkten Vorsprung. Eklatant ist der Abstand zwischen dem vierten und fünften der Tabelle, der acht Punkte beträgt. Aber auch der Abstand zwischen dem 6. und 8. Platz ist mit sieben Punkten ungewöhnlich groß. Es scheint sich hier eine Drei-Klassen-Gesellschaft herauszubilden: die ersten vier sind weit enteilt, die EL-Plätze werden unter den drei nachfolgenden Mannschaften ausgemacht und die restlichen elf Mannschaften spielen um den Klassenerhalt.
Noch ist es natürlich zu früh, um solch weitreichende Schlussfolgerungen zu ziehen. Die allgemeine Abstiegsgefahr wird aber auch zusätzlich durch die gestrichelte Linie in der Grafik verdeutlicht. Erreicht man diese Grenze, ist man auf Kurs, die magischen 40 Punkte zu erreichen, die den Klassenerhalt sichern (also (40 x 19)/34) ≈ 22.35). Während also im Durchschnitt der letzten Jahre der elfte Platz diese Grenze am 19. Spieltag überschritten hatte, ist es in diesem Jahr gerade der achte (punktgleich mit dem neunten), der sich (einigermaßen) sicher fühlen kann.
Während es für den Kampf an der Spitze also Spannung verspricht, ist die Kehrseite der Medaille unter Umständen eine Segmentierung der Liga; wenn mehrere Mannschaften vorne weg marschieren, muss es das Gegenstück dazu im unteren Teil der Tabelle geben. Noch ist es zu früh, doch wenn sich dieser Trend verfestigen sollte, könnte die Bundesliga sich mehr den englischen oder spanischen Verhältnissen angleichen.

23.1.12

Vorher nachher

Zitate ausgewählter Bayern-Spieler vor dem Spiel:

Lahm: "Fußballerisch bin ich wenig angreifbar, weil ich meine Leistung seit Jahren bringe"
Lahm: "Keine Sorge, ich lasse die Sau manchmal raus." Lahm: "Wenn ich mir jetzt vorstelle, dass wir in Gladbach gewinnen - dann weiß ich schon jetzt, wie gut sich das anfühlen würde bei der Busfahrt zurück ins Hotel."
Lahm: "Aber ich denke, dass wir [Barcelona] inzwischen auf Augenhöhe gegenübertreten. (alle in der FAZ vom 20. Januar 2012)
Schweinsteiger: "Wenn wir so spielen wie zeitweise in der Vorrunde, wird es schwer, uns zu stoppen. Wir wollen gewinnen und eine Serie starten" (dpa)
Schweinsteiger: "Der Platz ist in einem katastrophalen Zustand" (irgendwo)
Heynckes: "Das beste Trainingslager meiner Karriere" (sinngemäß irgendwo)

Zitate nach dem Spiel

Schweinsteiger: "Der Platz war in einem katastrophalen Zustand" (bei sky)
Lahm: "Unser ärgster Konkurrent - neben uns selbst - ist immer noch Dortmund" (dpa)

weiter lesen: http://www.gmx.net/themen/sport/fussball/1liga/348obp6-bayern-in-gladbach-kalt-erwischt#.A1000146

 

4.1.12

Kurze Notizen zu Reus

Überraschend an dem Reus-Transfer sind doch eigentlich nur zwei Dinge: erstens, dass so viele überrascht sind, dass er geht. Und zweitens, dass er jetzt schon bekannt gegeben wird.

Eberl hat sehr weitsichtig agiert, als er in der Vorrunde der Vorsaison die Vertragsverlängerung von Reus vorangetrieben hat. Denn seien wir doch einmal ehrlich: rund 18 Mio. ist ein sehr guter Preis für Reus. Hätte Borussia nicht diese überragende Vorrunde gespielt, wäre wohl auch die Hoffnung auf einen Verbleib Reus nicht aufgekommen.

Dass man den Transfer jetzt schon bekannt gibt, hat wohl Vorteile und Nachteile. Wenigstens wird Reus nicht mehr in jedem Interview Fragen dazu irgendwie umschiffen müssen. Glaubt man Favre und Eberl, hat er sich sehr offen verhalten. Das macht Hoffnung darauf, dass die möglichen Nachteile vielleicht vermindert werden. Er wäre sehr schlecht, wenn Reus bei den Heimspielen jetzt Pfeifkonzerte begleiten würden. Leider bin ich da von der Reflexionsbereitschaft unserer Fankurve nicht restlos überzeugt.

Ich denke, dass jeder Spieler irgendwie zu ersetzen ist, und glaube auch, dass Eberl und Favre die richtigen Schlüsse ziehen werden. Auch muss ein Signal gegeben werden an andere in der Mannschaft, dass der Wechsel von Reus nicht eine Abkehr vom positiven Trend ist. Ich denke hier an Spieler wie ter Stegen, Dante, Nordveit und Arango.

Zu Neustädter sage ich mal lieber nichts. Warum nur Leverkusen?