16.11.12

Boykott


Immer wieder sorgen Diskussionen zu Ticketpreisen für erhitze Gemüter unter Fans. Auf der einen Seite gibt es Aktivisten rund um “Kein Zwanni für nen Steher”, die sich die magische Grenze von 20 € für ein Stehplatzticket ausgeguckt haben. Auf der anderen Seite sind da Vereine wie Leverkusen, die die Preise für einen Teil der Spiele und damit auch für Gästefans drastisch erhöht haben.

Vielleicht kann eine ökonomische Analyse, warum Bayer so handelt, helfen. Es gibt in dem Zusammenhang mehrere Effekte. Bayer ist für jedes Heimspiel Monopolist. Wenn Borussia dort zu Gast ist, ist Bayer der einzige Anbieter des Produkts “Bayer Leverkusen gegen Borussia Mönchengladbach im Stadion erleben”. Als Monopolist setzt Bayer den Preis so, dass der letzte verkaufte Platz genau den gleichen Ertrag bringt wie er kostet. Typischerweise ist es für einen Monopolisten Gewinn maximierend, die angebotene Menge künstlich zu verknappen, da er, wenn er mehr verkaufen will, den Preis für alle Einheiten senken muss. Ein Ausweg aus diesem Dilemma ist die Preisdifferenzierung, die ja auch in Stadien durch Preisunterschiede zwischen Hauptribüne und Eckenplätzen und vielem mehr betrieben wird. Das heißt im Umkehrschluss aber auch, dass die Vereine, deren Stadien praktisch dauernd ausverkauft sind, also Bayern, Dortmund, Schalke und andere, augenscheinlich die Preise erhöhen könnten und bei einem dann weniger gefüllten Stadien mehr Gewinn machen würden.

Der Grund, warum diese Vereine das eben nicht tun, ist der Schlüssel zu verstehen, warum Leverkusen es doch tut.

Der Eintrittspreis ist nur ein Teil des Ertrags. Mehr Zuschauer im Stadion werden auch mehr andere Produkte konsumieren, also Essen, Bier und Fanartikel. Aber was noch viel wichtiger ist: Viele Zuschauer machen den Stadionbesuch erst zu dem Erlebnis, wegen dessen die meisten Zuschauer überhaupt erst kommen. Viele Zuschauer kreieren Lärm und Stimmung und damit allgemein, was wir Atmosphäre nennen. Erhöhte man hier die Preise, liefe man Gefahr, das Gesamtpaket zu verlieren.

Zurück zu Leverkusen. Jeder, der in Leverkusen schon mal im Stadion war (ähnliches gilt für die üblichen Verdächtigen Wolfsburg und Hoffenheim), weiß, dass Stimmung und Atmosphäre nicht unbedingt die Stärken des Vereins und seines Stadions sind. Die Verantwortlichen sagen sich also: bei niedrigeren Preisen kommen vielleicht mehr Leute, die sorgen aber immer noch nicht für die Stimmung, die wir bräuchten. Also können wir die Preise erhöhen, haben nur minimale Verluste im Zusammenhang mit Atmosphäre, und die Leute, die wegen des Fußballs und vor allem wegen des Gegners kommen, zahlen mehr und der Gewinn ist erhöht. Die Preisdifferenzierung in Hinblick auf die Topspiele gegen Bayern, Dortmund, Schalke, Düsseldorf (!) und Gladbach sind also vor allem damit zu erklären, dass man den vielen externen Fans so möglichst hohe Preise vorsetzt, da diese Gruppen eher weniger preissensitiv sind.

Vor diesem Hintergrund sind Boykotte wie sie “Kein Zwanni” fordert, in Leverkusen eher nützlich als zum Beispiel in Hamburg. Die Hamburger sind im Zweifel auch ohne Gästefans in der Lage, eine Atmosphäre zu kreieren, in der es für alle Beteiligten Spaß macht, zu kommen. Leverkusen kann das nicht, es ist auf die Gästefans angewiesen. Dazu kommt, dass es in den Städten, die weiter entfernt von den Fußballhauptstädten im Ruhrgebiet und im Rheinland sind, viele örtliche Auswärtsfans leben, die sich das einmalige Erlebnis, ihren Verein in der Nähe zu sehen, nicht nehmen lassen. Auch dieses Problem ist in Leverkusen gelindert.