27.2.12

Wir müssen über Lucien sprechen

Die anhaltende Erfolgsphase der Borussia, die, noch ungeschlagen in der Rückrunde, sich anschickt, in der nächsten Saison in der Champions-League(!) zu spielen, lässt mich vielleicht besser verstehen, was Helmut Grashoff meinte, als er von seiner "launischen Diva" sprach. Es scheint, dass die Stimmung um den Verein zumindest teilweise unabhängig von der sportlichen Situation ist. Malten einschlägige Medien vor Jahresfrist (nicht völlig zu Unrecht) noch den Teufel des Abstiegs an die Wand, wird das Interweb heuer mit immer neuen Ausverkaufsszenarien gefüllt.

Es ist müßig, über die Einzelschicksale von Dante und neuerdings auch Herrmann und Nordtveit zu sprechen. Vielleicht gehen sie, vielleicht nicht. Interessant wird die Sache aber, wenn es um Favre selbst geht. Der Trainer muss sich langsam vorkommen wie der Präsident der amerikanischen Notenbank, bei dessen Reden jede einzelne Formulierung auf die Goldwaage gelegt wird, um irgendwie herauszukitzeln, ob die Zinsen bald um viel Punkte gesenkt werden. Man hat das Gefühl, dass Favre sich nicht immer ganz darüber im Klaren ist, was seine Aussagen bewirken. Wenn er nicht über seine vertragliche Zukunft reden will, mit der Begründung sich auf das Fußballerische zu konzentrieren ("das nächste Spiel"), versteht die Presse: er ist unsicher, ob er bleiben soll. Wenn er darauf hinweist, dass die Breite seines Kader es schwer macht, Ausfälle wie den von Herrmann zu kompensieren, wird daraus: Favre bereitet seinen Abgang vor.

Vielleicht hätte man von Seiten der sportlichen Führung das Thema gar nicht erst so groß werden lassen und sogar mit anheizen dürfen. Eberl hat vor ein paar Wochen selbst im Doppelpass-Interview angekündigt, dass man mit Favre in Gesprächen über eine vorzeitige Verlängerung sei. Das könnte ein Fehler gewesen sein. Alternativ hätte er auch sagen können: Favre "hat Vertrach" bis 2013, im Sommer setzen wir uns zusammen. Wenn das die offizielle Linie wäre, könnte man alle weiteren Nachfragen mit diesem Hinweis abprallen lassen. So aber wissen alle, dass es Verhandlungen gibt, und solange kein weißer Rauch aus der Geschäftsstelle aufsteigt, gibt es weitere Spekulationen darüber, dass es immer noch keinen Abschluss gibt.

22.2.12

Haben die Bayern einen Minderwertigkeitskomplex?

Auffallend für den milde parteiischen Beobachter ist die konstante Sorge der Verantwortlichen des FC Bayern München, auf die herausragende Stellung des Vereins in Deutschland einerseits und die Wettbewerbsfähigkeit in Europa andererseits hinzuweisen. Beides ist in der Häufigkeit kontraproduktiv und zutiefst peinlich für alle Beteiligten. Die Spieler Lahm und Schweinsteiger äußern sich regelmäßig dazu, dass die Bayern immer den besten Kader haben werden. Lahm sieht sich auf Augenhöhe mit dem FC Barcelona. Rummenigge sieht Schweinsteiger in einer Liga mit Xavi et al., und vieles mehr.

Woher kommt das? Die Fixierung auf Barcelona hat vielleicht etwas damit zu tun, dass die Bayern eine tiefe Unfairness empfinden ob der Finanzierungskonstrukte der spanischen Vereine, die mehr Schulden machen als langfristig gesund erscheint. Hier auf der einen Seite der FC Bayern als ehrbarer Kaufmann, der ein üppiges Festgeldkonto aufweist und nie säumig ist, dort die verschwenderischen Katalanen. Ein Grund ist sicher die Umverteilung der Bundesliga, die für geringere Fernseheinnahmen der Bayern gegenüber den spanischen und englischen Vertretern sorgen. Und das ist die Verbindung zum nationalen Komplex der Bayern: die Umverteilung sorgt nicht nur dafür, dass die Bayern in Europa nur die 2. Geige spielen, sondern auch, dass die nationale Konkurrenz ihnen mir nichts, dir nichts auf der Nase herumtanzen kann. Das führte dazu, dass Lahm nach der in Höhe und in der Art des Zustandekommmens heftigen Niederlage in Gladbach zu Rückrundenbeginn trotzig die Gladbacher als nicht so wichtig darstellte.

Wirklich erstaunlich ist aber, dass die Verantwortlichen nicht einfach mal nichts sagen können. Warum muss man ständig sich und der Welt versichern, wie gut man ist? Warum macht man Aussagen wie Schweinsteigers "Wenn wir so spielen wie zeitweise in der Vorrunde, wird es schwer, uns zu stoppen", nur um im Nachhinein zu erkennen, dass eben das der Grund ist, dass jetzt die letzte Mannschaft in der Bundesliga (und Basel?) weiß, wie die Bayern zu stoppen sind. Warum redet man nicht konsequent jeden Gegner stark, wie es Favre zum Beispiel macht?

Es kann sein, dass die berühmte "Abteilung Attacke" der Bayern, also verbale Angriffe auf die Konkurrenz – obgleich grob unsportlich – in bestimmten Fällen den entscheidenden Vorteil geben kann. Nur, wenn man wiederholt den Mund sehr voll nimmt, aber dann nicht liefert, wirkt es irgendwann lächerlich und schwach. Vor allem, wenn man dann den Schuldigen woanders sucht, bei den Platzverhältnissen (Schweinsteiger) oder bei den Schiedsrichtern (Hoeness, Rummenigge).

Niemand in Deutschland spricht den Bayern ihre herausragende Stellung ab und sie sind wohl im Moment die einzige deutsche Mannschaft, die von europäischen Schwergewichten wirklich ernst genommen wird. Woher kommt dann diese tiefe Unsicherheit in die eigene Stärke?

10.2.12

Kleine Regelkunde

Die Aufregung war groß, als Igor de Camargo in der 100. Minute des DFB-Pokalspiels gegen Hertha BSC zu Boden ging und Schiedsrichter Felix Brych daraufhin auf Elfmeter und Rote Karte für Roman Hubnik entschied.

Bevor 82 Millionen Schiedsrichte jetzt „Fehlentscheidung“ schreien, sollten wir die Szene nochmals genauer und in Einzelheiten Revue passieren lassen. Was ist passiert? Hubnik und de Camargo laufen auf das Tor von Hertha zu, de Camargo rempelt Hubnik leicht, der daraufhin einige Schritte später zu Fall kommt während Torwart Kraft den Ball schon aufgenommen hat. Schiedsrichter Brych entscheidet auf Vorteil um Hertha die Möglichkeit einer schnellen Spieleröffnung zu geben. Dies ist nicht zu beanstanden.

Das Spiel läuft also weiter als Hubnik auf de Camargo zuläuft, ihn auf den Fuß tritt und mit dem Oberkörper bedrängt. De Camargo nimmt den Kopf leicht nach vorne, so dass Hubniks Nase de Camargos Stirn berührt. De Camargo lässt sich fallen und täuscht einen Kopfstoß vor. Schiedsrichter Brych entscheidet zunächst auf Elfmeter. Nach Regel 12 ist auf Strafstoß zu entscheiden, wenn ein Spieler im eigenen Strafraum einen einen Gegner fahrlässig, rücksichtslos oder mit unverhältnismäßigem Körpereinsatz bedrängt, vorausgesetzt, der Ball ist im Spiel. Dies war in der Situation gegeben. Hubnik hat de Camargo rücksichtslos bedrängt und das Spiel war nicht unterbrochen. Die Entscheidung auf Strafstoß ist also richtig.

Zudem entscheidet der Schiedsrichter auf Feldverweis für Hubnik. Dafür müsste dieser entweder ein grobes Foulspiel oder eine Tätlichkeit begangen habe. Beides ist nicht ersichtlich, die Entscheidung auf Feldverweis somit falsch.

Interessant ist die Einlassung von Herthas Trainer Skibbe zu diesem Fall: „Das war eine Unsportlichkeit und kein Elfmeter.“ Nach den Fußballregeln liegt unsportliches Betragen unter anderem vor, wenn ein Spieler „eines der sieben Vergehen, die mit einem direkten Freistoß geahndet werden, rücksichtslos begeht". Der Spieler ist dann zu verwarnen. Eine Unsportlichkeit ist also mehr als ein gewöhnliches Foul, man könnte sagen: ein gelbwürdiges Foul. Somit sagt auch Skibbe implizit, dass die Entscheidung auf Strafstoß richtig war.

Im Ergebnis muss man also festhalten, dass das Spiel nicht durch eine Fehlentscheidung des Schiedsrichters entschieden wurde.