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Auswärtsstark (7)




Normalerweise berichten die Schreiberlinge des FohlenKommandO in unregelmäßgen Abständen über ihre Groundhopper-Erlebnisse aus anderen Ligen,
anderen Ländern. Heute berichtet Michael Pahl aus Hamburg für das FohlenKommandO über das Auswärtsspiel seines FC St. Pauli in Mönchengladbach, bzw. über das auswärts gefühlte Heimspiel der Kiezkicker in der Regionalliga Nord, 21.04.2007, Mönchengladbach, Borussia-Park.


5 Uhr morgens, der Wecker klingelt. Wäre mein Körper ein eigener Mensch, würde er mich vermutlich mit traurigen bis verzweifelten Augen ansehen und fragen: „Warum tust du mir das an?“. Oder mich einfach nur verdreschen. Auswärtsfahrt! Zur ruhmreichen Borussia nach Mönchengladbach. Wohlgemerkt nicht zu deren ersten Mannschaft, sondern zur U23, Regionalliga Nord, der FC St. Pauli möchte seinen Auswärtsfluch besiegen und endlich mal wieder drei Punkte außerhalb Hamburgs einfahren. Also schnell noch im Halbschlaf ein Frühstück verschlungen, und ab zum St. Pauli-Clubheim, von wo aus die fünf Busse fahren.

Ein gewohntes Bild:
Die Gäste treffen das Tor im Borussia-Park

Ich habe mich entschieden, mit dem „Nichtraucher-Bus“ zu fahren. Nichtraucher-Bus, das heißt übersetzt: Wenigkotzer und Nicht-Motörhead-Hörer. Während in anderen Fanbussen nach spätestens zwei Minuten der Alkoholpegel dem auf einer „Flatrate-Party“ gleicht, nach drei Minuten das Seite-1-Girl der BILD ins Fenster geklebt wird, nach vier Minuten die Toilette überläuft und nach fünf Minuten der erste Porno über den Busbildschirm flimmert, wird im Nichtraucher-Bus des FC St. Pauli zum Frühstück erstmal schön die mitgebrachte Butterstulle ausgepackt, in der ZEIT geblättert und gepflegte Konversation betrieben. Bildungsbürgertum im Piratengewand!

Anschlußstreffer per Foulelfmeter und wenig später Rudelbildung mit Folgen


Running Gag der Busfahrt ist das Navigationssystem des Fahrers, dessen freundliche Frauenstimme alle fünf Minuten nicht etwa fordert, links abzubiegen oder zweihundert Meter geradeaus zu fahren, sondern einfach nur ein deutlich vernehmbares „Lauter!“ von sich gibt. Der Busfahrer gibt sich daraufhin zwar alle Mühe, lauter zu fahren, aber offenbar nicht laut genug, um die Dame zu besänftigen. Angekommen in Gladbach (wobei „IN Gladbach“ in diesem Fall ein eher schmeichelhafter Begriff ist, da das Stadion kaum mehr außerhalb der Stadt liegen könnte) empfängt mich eine warme Frühlingssonne, in der ich mich aale, bis meine gutgelaunten Stadionbegleiter Tommy, Mariann und Michael (Musikantenstadl-Witze bitte jetzt!) ebenfalls die Szene entern. Nach der Fahrt im Nichtraucherbus nur konsequent: während die anderen sich die ersten Biere gönnen, bleibe ich dem Spaßbremsentum treu und bestelle einen grundanständigen Becher Wasser. Schließlich will man nächste Woche den Hamburg-Marathon laufen, da braucht es eben auch mal ein bisschen Selbstdisziplin.

Lechner muß zum wiederholten Male kräftig durchpusten;
für van den Bergh ist deshalb vorzeitig Feierabend


Das Vorspiel läuft bereits, eine auswärtige E- oder F-Jugend wird soeben für ihr restliches Fußballerleben traumatisiert und von den einheimischen Mini-Fohlen nach Strich und Faden abgeschossen. Die Stimmung in der 54.000-Mann-Arena ist wie immer ein wenig seltsam, wenn ein Auswärtsspiel des FC St. Pauli in der Regionalliga in ein größeres Stadion verlegt wird.

Der Gästeblock ist mit ca. 2.000 - 2.500 St. Paulianern knackevoll und liefert sangesfreudigen Dauer-Support, daneben gruppieren sich auf der Tribüne in lückenhafter Anordnung weitere Schlachtenbummler, ebenfalls viele aus der Hansestadt, der Heimblock ist nur sehr mäßig gefüllt, im Rest des Stadions herrscht gähnende Leere.

Heimfans vs. Auswärtsfans; verdienter Auswärtssieg auf Rang und Platz

Die Nervosität meinerseits steigt, denn der FC St. Pauli als klarer Favorit zu Gast beim Tabellenletzten mit dem Druck, dieses Spiel gewinnen zu müssen, um im Aufstiegsrennen zu bleiben – normalerweise todsicheres Vorzeichen einer gediegenen Auswärtsklatsche. Doch siehe da, es sind keine fünf Minuten gespielt, da zappelt’s auch schon im Gladbacher Gehäuse, und die Hamburger Nerven flattern gleich ein bisschen weniger. Erst recht, als wenig später auch noch das 2:0 nachgelegt wird.

Doch St. Pauli wäre nicht St. Pauli, wenn es sich die Gelegenheit nehmen ließe, eine souveräne Zwei-Tore-Führung beim Tabellenletzten noch einmal kräftig in Gefahr zu bringen. Foulelfmeter für die Gastgeber, Anschlusstreffer – und sowohl bis zur Pause als auch in den ersten fünfzehn Minuten danach stellt sich das hinlänglich bekannte Um-den-Ausgleichstreffer-Gebettel ein. Mitten in die Sturm- und Drangphase der Nachwuchsfohlen fällt dann das 3:1, und wenige Augenblicke später dezimieren sich die Zurückliegenden noch durch ein Frustfoul – Gelegenheit für St. Pauli, die Führung bis zum Schlusspfiff auf 5:1 auszubauen.

Möglicherweise gibt's die Chance zur
Revanche schon bald in Liga 2


Ein seltenes Glücksgefühl für den braun-weißen Auswärtsfahrer, umso mehr, als die Konkurrenz wie so oft in dieser Saison kollektiv verkackt hat und man sich mit einem Sieg im Nachholspiel in Bremen am kommenden Die
nstag gar an die Spitze der Tabelle setzen könnte.
Normalerweise todsicheres Vorzeichen einer gediegenen Auswärtsklatsche...


(Fotos: FohlenKommandO/ Comic: M.Pahl)

Bisher in dieser Reihe erschienen:
Auswärtsstark (6): Bayer Leverkusen - CA Osasuna
Auswärtsstark (5): Bayer Leverkusen II - FC St. Pauli
Auswärtsstark (4): Eintracht Frankfurt - Newcastle United
Auswärtsstark (3): Öffentliches Training des 1. FC Köln
Auswärtsstark (2): Fortuna Düsseldorf - FC St. Pauli
Auswärtsstark (1): Factor Ljubljana - Bela Krajina