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Sapere aude, Borussenfan! Oder besser doch nicht...

Sehr verehrte Freunde des spochtverbunden Vergnügens,

in den letzten Wochen wurde rund um den Borussia-Park viel geträumt. Das geht sehenden und offenen Auges, in Tagträumereien sozusagen. Im Idealzustand befindet sich der Körper aber im Tiefschlaf, in völliger geistiger Umnachtung. Die Fohlenelf verbindet diese Fähigkeiten im Augenblick virtuos miteinander. In geistiger Umnachtung träumt sie am hellichten Tage auf des Gegners Platz im Schlaf der Selbstgerechten lustlos vor sich hin. Respekt, daß muß man erstmal nachmachen! Träume, sehr verehrte Leserinnen und Leser, sind allerdings Schäume. Diese, mal bittere und mal rationale, simple Überzeugung ist nicht sensationell neu. Der gestrige Auftritt der Borussia, fernab der niederrheinischen Heimat, hat in erkenntnistheoretischer Hinsicht wieder einmal nachdrücklich zur Untermauerung dieser Beweisführung beigetragen. Man darf getrost darauf verzichten, diese Einsicht anhand statistischer Werte belegen zu wollen. Es gilt das gesprochene Wort.

Die seit vier Jahren fortwährend zu erlebende, eklatante Auswärtsschwäche ist vielfach ausgiebig diskutiert worden. Eine präzise Antwort läßt sich allerdings nirgends finden. Zeit, Raum und Kausalität sollen, nach philosophischem Vorbild, nicht Gegenstände der Wahrnehmung sein, sondern ihre Bedingung. Theoretisch mag das stimmen. Die sich alle zwei Wochen wiederholenden 90 Minuten auf fremden Spielwiesen sind laut DFB-Statuten nun einmal zwingend vorgesehen; der dabei unter allen Umständen eindrucksvoll zur Schau gestellten Vermeidung der Erlangung dreier Punkte liegt allerdings keine immanente Ursächlichkeit zu Grunde. Weder a priori noch a posteriori.

Es handelt sich hierbei nicht schlichtweg um Pech oder um eine verhängnisvolle Verkettung widriger Umstände. Wir sprechen nicht von einer einmaligen Seuchensaison, die als Erklärung für eine momentan miserable Auswärtsbilanz herhalten könnte. Weder der Ausfall diverser Stammspieler, noch eine möglicherweise gerne prognostizierte, dauerhafte mentale Blockade können mangels weiterer Rechtfertigungen als Entschuldigung für diesen Dauerzustand angeführt werden. Es ist und bleibt also eine scheinbar unerklärliche Situation. Welche Erkenntnis können wir daraus ziehen? Keine hinsichtlich der Mannschaft. Ansonsten lediglich die, daß der Idealismus der Fans, die trotz der niederschmetternden Ergebnisse und zahnlosen Auftritte noch immer zahlreich Anteil am Spiel ihrer Mannschaft nehmen, nicht mit reiner Vernunft zu erklären ist.

Fans sind allerorten leidensfähige und oftmals auch leidgeprüfte Menschen, aber immerhin wohnt unserer Spezies im Allgemeinen tendenziell eine große Besonderheit inne. Wir sind vernunftbegabt. Vernunftbegabte Fans der Borussia, sollte man meinen, wären durchaus in der Lage, ihre Gepflogenheiten den Umständen anzupassen. Problematisch in diesem Zusammenhang ist allerdings die Frage: «Besitzen wir tatsächlich den Mut, uns unseres Verstandes zu bedienen?» Die Samstagnachmittage könnten dabei in vierzehntägigem Turnus zum Beispiel mit der fußballfreien Pflege des eigenen Rasens oder PKW ausgefüllt werden, ohne dabei in gewohnter Regelmäßigkeit aller Illusionen beraubt zu werden. An und für sich eine schöne Vorstellung.

Das Problem dabei: wir werden Woche für Woche schließlich nicht nur durch unseren Idealismus angetrieben; wer Visionen hat, der sollte bekanntlich eh besser zum Arzt gehen. Der Glaube an einen Auswärtssieg, das unreflektierte Vertrauen in die fußballerischen Fähigkeiten der Spieler, die Hoffnung auf eine bessere Plazierung, eine sorgenlose Zukunft, speist sich vor allen Dingen aus der Leidenschaft für das Spiel und den Verein. Eine Leidenschaft, die uns trotz besseren Wissens zwar einige Tage leiden läßt, uns aber spätestens am Wochenende wieder ins Stadion und vor den Fernseher treibt. Das Subjekt unserer Wahrnehmung bereichert unser Dasein als beharrliche Form der Existenz, ganz gleich, wie zermürbt sich dieses Dasein nach einer neuerlichen Demontage durch einen Abstiegskandidaten gestalten mag. Nur zu gerne würde der Verfasser verbal nachtreten und voller Leidenschaft einen flammenden Appell an seine Leser richten, den Rest der Saison mit der Suche nach einer neuen Freizeitbeschäftigung zu verbringen...

...aber vergebens. Seine Vernunft hat ihn gezwungen, eine Nacht über Gesehnes zu schlafen. Und noch während er seinem Ärger Luft machen möchte, treibt ihn sein Idealismus dazu, auch diese Woche weiter leidenschaftlich träumen zu wollen. Große Träume voller Ideale, das versteht sich natürlich von selbst. Es bringt zwar nichts, aber wenigstens das Träumen wird ja wohl noch erlaubt sein. Die Alpträume kommen schon unweigerlich von selbst, sollte die Mannschaft nicht endlich damit beginnen, das Feuer der Leidenschaft in sich zu entfachen. Falls die Spieler nicht wissen sollten wie das bewerkstelligt werden kann, die unzähligen Tag- und Nachtträumer auf den Rängen helfen mit Sicherheit gerne weiter. Wenn es so weiter gehen sollte, wahrscheinlich auch schon sehr bald, ungefragt und mit heftigem Nachdruck. Ob das den Spielern Gefallen bereiten wird, mag an dieser Stelle bezweifelt werden.

Weil alles Rätseln, Grübeln und der Ärger nicht im Geringsten weiterhelfen, wollen wir unseren Idealismus also nicht aufgeben, zumindest vorerst. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem die Realität demnächst mal wieder kurz die Vernunft in uns aufkeimen läßt. Denn, um noch einmal in erkenntnisphilosophischen Worten zu sprechen: «Nichts ist beständiger als die Unbeständigkeit». Ach ja, wenn’s nun mal nicht anders geht, dann bitte.

In diesem Sinne, gute Nacht allerseits.