Kränkelnde Borussia und das Duell der roten Laternen
zwei Niederlagen gegen Bayern und Wolfsburg und zwei Unentschieden gegen Schalke und Duisburg. So lautet Borussias nüchterne Bilanz in der Rückrunde. Die vier absolvierten Partien im Jahr 2006 reichen damit aus, um die rote Laterne in der Rückrundentabelle sicher in den Händen zu halten. Traurig, aber leider wahr. Aber glücklicherweise auch nicht weiter schlimm. Die Gesamttabelle weist Platz neun aus, mit zehn Punkten Vorsprung auf die Abstiegsränge. Ein relativ sicheres Polster. Damit das auch so bleibt sollte allerdings schleunigst damit begonnen werden, wenigstens gegen vermeintlich schwächere Gegner zu gewinnen. Die Luft wird nämlich wieder dünner. Und dünne Luft macht auf Dauer das Atmen schwer.
Dazu kommt ein gereizter Trainer, der sich nach vermeidbaren taktischen Pannen der letzten Wochen wieder angreifbar gemacht hat. Zu bemängeln sind beispielsweise das wenig nachvollziehbare 4-3-3 System beim Auswärtsspiel in Wolfsburg, die ständige Positionsrotation der Stammspieler, vor allem die glücklosen Experimente auf der Sechserposition, und eine fehlende klare Linie bei der Wahl der Stürmer. Den Spielern bei ihrer augenblicklichen Verunsicherung, Rat- und Mutlosigkeit und teils auch ihrer üblichen Schwäche zuzuschauen, das kratzt momentan ganz schön an den Nerven. Und nicht nur an Köppels Nerven. Wenn der Manager sich befleißigt, Mannschaft und Trainer in der Halbzeitpause zu belehren, dann ist der ganz große Ärger meist nicht mehr weit entfernt. Einzelne Spieler beschweren sich in der Boulevardpresse, andere streiten sich dagegen ganz unverblümt so laut mit dem Coach am Spielfeldrand, daß den Damen und Herren im Ü-Wagen der Sportschau ob der tollen Szene für den Abspann ganz warm ums Herz geworden sein muß. Auweia, ist das wirklich notwendig?
Nach vier Jahren Abstiegsk(r)ampf war es ungewohnt komfortabel, zur Winterpause einen Blick auf die Tabelle zu werfen und sagen zu können: „Abstieg geht uns nichts an!“ Das die Borussia zum jetzigen Zeitpunkt nicht um die UEFA-Cup Plätze mitspielt, das ist den meisten hoffentlich klar. Dazu fehlt auf lange Sicht einer Saison die notwendige spielerische Substanz. In der Endabrechnung drei, vier Plätze nach hinten durchgereicht zu werden, das geht einerseits absolut in Ordnung. Andererseits ist die Hinrunde selten wertvoll gewesen. Mit dem Mut eines guten Tabellenplatzes im Rücken, statt mit dem Mute der Verzweifelung, läßt sich nämlich sehr viel befreiter aufspielen. Obendrein winkt in höheren Tabellenregionen oftmals das Glück des Besserplatzierten. Manchmal ist es auch einfach das Glück des Tapferen, wie zum Beispiel im Heimspiel gegen Eintracht Frankfurt. Das Selbstvertrauen, einen 0:2 Rückstand mit einer spielerisch und kämpferisch starken Leistung in einen Sieg münzen zu können, bekommt man eben nicht ausschließlich auf dem Trainingsplatz vom Trainer eingeimpft. Man kann es sich auch selber holen. Die Gewißheit, endlich ins gesicherte Mittelfeld der Liga vorgerückt zu sein, hätte ausreichen sollen, um besser in die Rückrunde zu starten.
Muß man sich denn tatsächlich Sorgen machen oder handelt es sich hier lediglich um Jammern auf hohem Niveau? Schließlich stehen wir ja noch immer in der ersten Tabellenhälfte. Die Situation ist nicht bedrohlich, aber es besteht berechtigter Grund zur Sorge. Man mag einwerfen, daß Borussia schon zu Beginn der Saison enorme Startschwierigkeiten hatte, nach der Niederlage gegen den 1. FC Köln der Baum lichterloh brannte und nach der ersten Halbzeit gegen Bremen der endgültige Tiefpunkt erreicht schien. Durch glückliche Fügung konnte dann nach fünfeinhalb Spielen eine positive Wende eingeläutet werden, die dann auch bis Dezember Bestand hatte. Warum sollte das nicht auch jetzt möglich sein? Eine berechtigte Frage. Ja, warum denn eigentlich nicht?
Natürlich ist es möglich. Es ist nicht nur möglich, es ist ein absolutes Muß! Als kleine Motivationshilfe reichen die Vorzeichen. In Köln kennt man sich mit roten Laternen ebenfalls ganz gut aus. Der FC hält die besagte Laterne nämlich auch in der Hand. Allerdings die der gültigen Tabelle. Seit dem fünften Spieltag, ausgerechnet gegen Gladbach, wurde nicht mehr gewonnen und lediglich dürftige 15 Punkte stehen auf der Habenseite. Gegen den Tabellenletzten muß man sich für eine Schlappe im Hinspiel revanchieren! Aber es geht nicht nur um ein prestigereiches Spiel unter rheinischen Rivalen. Gegen den Tabellenletzten muß man zu Hause gewinnen, weil statistisch keine schlechtere Mannschaft zur Verfügung steht! In der kommenden Woche geht es nach Bremen und der beste Sturm der Liga wird Borussia mit Sicherheit nicht nochmal freiwillig den Gefallen tun, ein guter Aufbaugegner zu sein. Sollte das Heimspiel gegen Köln nicht gewonnen werden, dann stehen höchstwahrscheinlich bittere Wochen bevor. Natürlich rein hypothetisch, aber dieses Szenario ist nicht wirklich unrealistisch.
Das Geschrei um die Ablösung des Übungsleiters würde wieder unerträglich laut werden und Spieler lassen sich normalerweise von solch einem Reizklima gerne anstecken. Die dann zu prognostizierende Infektion könnte leicht bis zur Sommerpause verschleppt werden. Alle positiven Ergebnisse der Hinrunde würden gänzlich zur Randnotiz verblassen und am Ende stünde dann wieder eine recht ernüchternde Diagnose: der Patient lebt, aber er benötigt dringende Rehabilitationsmaßnahmen. Und gerade die sollten in Gladbach eigentlich nicht mehr zwingend notwendig sein. Die Doktorspielchen der letzten zwei Jahre haben gereicht, die Fummelei wurde zur Qual statt zur Besserung. Das Immunsystem schien endlich einigermaßen hergestellt zu sein. Und wenn der Eindruck nicht täuscht, dann gibt es auch keinen Grund, etwas an diesem Zustand zu ändern. Abgesehen davon gibt es wohl kaum einen Beobachter oder Fan, dem es an Überdruß in dieser Hinsicht mangelt.
Deshalb gilt es, einer neuerlichen Leibvisite vorsorglich entgegenzutreten. Mit drei Punkten am Samstag gegen einen wahrscheinlichen Absteiger. Gesunden kann man nämlich auch selber, oft sogar ganz schnell und über Nacht. Dazu bedarf es allerhöchstens kleiner Hausmittelchen oder sanfter homöopathischer Dosen. Und die sollten Trainer und Spieler ganz schnell in der Hausapotheke finden. Dazu reicht ein kleiner Griff in den vorhandenen Tablettenschrank und die Helferzellen können wieder aktiviert werden.
“Ich will gegen Köln gewinnen, alles andere interessiert mich nicht!“, hat Horst Köppel verlauten lassen. Ein erster Weg zur Besserung. Das sehe ich genauso!
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