Eine Beleidigung macht noch keinen Rassisten
Erinnern Sie sich noch an den 30.9.2005? Genau! An diesem Tag veröffentlichte die dänische Zeitung Jyllands-Posten zwölf Mohammed-Karikaturen. Schon im Februar 2006 gab es daraufhin in der islamischen Welt wütende Proteste und aufrührerische Angriffe auf westliche Einrichtungen, die mehr als 140 Menschenleben kosteten. Das Interessante daran war, dass im Nahen Osten kaum jemand die Karikaturen gesehen hatte.
Ebenso hatte der Präsident des Amtes für religiöse Angelegenheiten (Diyanet) in der Türkei, Ali Bardakoglu, die Rede des Papstes in Regensburg zum Verhältnis der Weltreligionen heftig kritisiert, um kurz darauf zuzugeben, sie überhaupt nicht gelesen zu haben.
Ähnliches passiert zur Zeit in der Fußballbundesliga. Es wird heftig über die Vorkommnisse im Aachener Tivoli diskutiert: Schon wieder habe es "rassistische Äußerungen" gegeben, die natürlich verurteilt werden müssen. Sogar mit Geisterspielen wird seitens der DFB-Führungsetage gedroht. Auch hier liegt es bei 21.300 zahlenden Zuschauern auf der Hand, dass die Mehrheit der Wortführer überhaupt nicht erlebt haben, was vorgefallen ist.
Diesen und auch allen anderen wollen wir hier den Gefallen tun und die Vorkomnisse im Tivoli schildern. Nach einer Rangelei zwischen dem Aachener Sichone (Sambier) und dem Gladbacher Kahê (Brasilianer) kam es im Aachener Fanblock zu "Asylanten"-Sprechchören. Daraufhin forderte Stadionsprecher Robert Moonen (Herrenausstatter) die Zuschauer auf, keine Personen als "Asylbewerber" oder sonst irgendwie zu beschimpfen. Wenig später wurde aus dem Gladbacher Fanblock "schwule Aachener" gerufen, worauf die Durchsage ertönte, dass die Aufforderung auch an die Borussia-Anhänger gerichtet sei.
Nun werden diese Äußerungen derart interpretiert, dass diese an die Spieler Kahê und Sichone gerichtet gewesen sein sollen und damit rassistisch seinen.
Wie haarsträubend diese Annahme ist, erkennt jeder, der sich ein wenig in deutscher Grammatik, insbesondere in den Numeri (Plural von Numerus) auskennt. Bei den Begriffen "Asylanten" und "schwulen Aachenern" handelt es sich um die Merhrzahl (= Plural). Die Spieler Kahê und Sichone sind aber einzelne Spieler und damit Einzahl (= Singular). Somit können die Spieler mit den Sprechchören überhaupt nicht gemeint sein. Auch handelt es sich nicht um einen sprachlichen Fehler der Fans, da diese sehr wohl zwischen Singular und Plural unterscheiden können. Es gibt viele gebräuchliche Formen einzelne Spieler zu beschimpfen (z.B. "Arschloch", "Wichser", "Hurensohn" etc., letztererBegriff in Abgrenzung zum Ausdruck "Hurensöhne" der als pluraler Begriff wiederum gegen ganze Mannschaften und Vereine verwendet wird).
Jetzt könnten die "Asylanten"-Rufe, die sich offensichtlich gegen die gesamte Mönchengladbacher Mannschaft und Anhängerschaft richteten, aber auch ein rassistisches Verhalten gegenüber der gesamten Gegenerschaft begründen. Dazu müsste es eine "Mönchengladbacher Rasse" geben, die bislang aber noch nicht bekannt ist. Auch umgekehrt ist keine "Aachener Rasse" bekannt, die man mit dem Ruf "schwule Aachener" hätte beleidigen können. Bleibt nur noch eine "schwule Rasse", die man als Aachener beschimpft haben könnte. Die Annahme einer solchen Rasse dürfte aber bereits aufgrund von Fortpflanzungsschwierigkeiten scheitern.
Es gab also im Stadion überhaupt keine rassistischen Äußerungen sondern ausschließlich handfeste Beleidigungen. Auch diese Beleidigungen sind alles andere als schön, man muss aber festhalten, dass diese seit Jahrzehnten an jedem Bundesligawochenende in fast allen Stadien zu hören sind. Sicherlich ist es erstrebenswert, diese Beleidigungen zu unterbinden. Allerdings ist es höchst unfair, sich jetzt die Fans von Alemannia Aachen und Borussia Mönchengladbach herauszupicken und die entsprechenden Vereine zu bestrafen, obwohl andere Fans in anderen Stadien sich genauso verhalten. Dazu kommt, dass diese Beleidigungen doch über Jahrzehnte hingenommen und sogar als Teil der guten Stimmung und tollen Atmosphäre angepriesen wurden.
Das Vorhaben, die Beleidigungen aus dem Stadion verbannen zu wollen ist richtig. Dass man dies aber jetzt ohne Vorwarnung willkürlich unter dem Deckmantel der Rassismusbekämpfung tut, ist scheinheilig und völlig über das Ziel hinaus geschossen.
Die Verwendung des Begriffs "Asylanten" als Schimpfwort ist offensichtlich ausländerfeindlich. Spitzfindigkeiten bzgl. Numerus und Adressat bleiben damit womöglich amüsant, ändern aber nichts. Auch die Frage ob Ausländerfeindlichkeit und Rassismus gleichzusetzen seien ist müßig. Die Ausländerfeindlichkeit im Stadion wird genauso etwa vom Begriff "Ruhrpottkanacken" geschürt.
Was bleibt ist die Frage nach den Grenzen, die wir uns als Fans selbst setzen wollen. Unsere Wahl ist dabei genauso willkürlich wie die des DFB. Bleibt zu wünschen, dass viele auch die Courage haben, den Fan neben sich anzusprechen, wenn dieser weit genug über die eigenen Grenzen hinausschießt.
Leserbrief von Anonym | 18:42
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