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Die ungewaschenen Massen

Der Freitod Enkes und vor allem die anschließende Verwurstung desselben ließen mich ratlos zurück. Auf der einen Seite steht die Ratlosigkeit, die sich immer einstellt, wenn man mit dem klinisch Depressivem konfrontiert wird. Das Verhalten ist für den Nicht-Betroffenen und Nicht-Involvierten schlicht nicht nachvollziehbar. Von dieser Warte ist die Diskussion über Depression als solche sicher gesamtgesellschaftlich positiv zu bewerten. Es ist vielleicht vergleichbar mit dem Umgang mit Magersucht und Bulimie. Diese Krankheitsbilder sind heute so geläufig und bekannt, dass kaum jemand mehr als Therapie "eine leckere Käsestulle mit Bouletten" vorschlagen würde.

Die Befremdung setzt eher mit dem Verhalten der Masse ein. Urplötzlich scheint es so, als wäre die Person Enke der Mehrzahl der deutschen Fußballfans persönlich bekannt gewesen. Wildfremde Menschen vergewissern sich gegenseitig, dass er ein "besonderer Mensch" gewesen sein musste. Plakate erklären ihn zu einer "Legende". 30.000 gehen zu seiner Trauerfeier und viele mehr schauen sie sich im Fernsehen an. Warum gehen Menschen, und Deutsche anscheinend im Besonderen, so gerne auf Massenveranstaltungen? Die 200.000 bei Obama und viel zu viele bei Barth (diese beiden in einem Satz unterzubringen reicht eigentlich schon für ein paar Jahre Bautzen) im letzten Jahr passen doch ins Bild. Warum beschäftigt man sich auf der einen Seite so emotional und öffentlich mit einem völlig unbekannten Menschen (siehe auch Di und Jackson), und schickt gleichzeitig seine Eltern ins Altersheim a.s.a.p.?

Ich habe Enke nicht persönlich gekannt. Ich kann ihn nur als Torhüter bewerten und, ehrlich gesagt, fand ihn nie besonders herausragend. Seit Jahren wird die hohe Anzahl der Gegentore von Hannover mit der schlechten Abwehr erklärt. Ohne ins Detail gehen zu wollen, dieses Argument erscheint nicht schlüssig, da der Torwart schlichtweg ein Teil der Abwehr ist. Ansonsten hat er sich verhalten wie jeder andere Profi auch. In der Abstiegssaison bei Gladbach hat er relativ früh bekannt gegeben, nicht in die 2. Liga gehen zu wollen. Nach erfolgreichen Jahren in der europäischen Fußballprovinz (Lissabon) hat er sich einer sportlichen Herausforderung gestellt (Barcelona), ist gescheitert und letztendlich in der Fußballprovinz (Hannover) gelandet. Da ist er doch ganz bei Leuten wie Hildebrand (Stuttgart-Valencia-Hoffenheim), der auch mal dritter Nationaltorhüter war. Legende?

Was soll das ganze, werden Sie fragen. "De mortuis nihil nisi bene, you fuckwit", mögen Sie mir verärgert zuzischen. Okay, okay, ich bin ja schon still. Aber Sie versprechen mir bitte, an Ihrer emotionalen Disfunktionalität zu arbeiten, ich kann da jemanden empfehlen...