Mein schönstes Ferienerlebnis: «Erhöhte spielerische Substanz»
der Manager ist auf Einkaufstour. «Endlich!», ist man geneigt zu rufen. «Es wurde auch allerhöchste Zeit.» Nun läßt sich vortrefflich darüber streiten, in welche Richtung es denn gehen soll. Etwas mehr Klasse bitte? Oder doch lieber eine breitere Verbesserung des Kaders? Oder ist in Peter Panders Wundertüte gar beides enthalten? Fakt ist, den Fans wird zuerst einmal geboten, was seit mehreren Spielzeiten längst zum liebgewonnen Ritual geworden ist. Das Personalkarussell dreht sich in der spielfreien Zeit, wenn auch nach stotterndem Beginn, nun wieder recht munter. Sebastian Svärd, Michael Delura, David Degen, Christoph Heimeroth, irgendwann vielleicht auch mal der lang und heißersehnte Argentinier Federico Insúa, und wer weiß, möglicherweise war das ja noch nicht alles, auch wenn Rolf Königs das anders hat verlauten lassen.
Überhaupt, dieser Insúa. Ich vermag an dieser Stelle nun wirklich nicht zu sagen, was der Knabe tatsächlich kann oder auch nicht. Zugegeben, die verfügbaren Szenen der einschlägigen Internetseiten lassen auf Spielwitz, perfekte Technik und Traumtore hoffen. Das ist für die darbenden Fans wirklich wünschenswert. Diese besagten Fähigkeiten müssen trotz alledem a) erst einmal unter Beweis gestellt werden und b) werden sie auch aktuellen Mitgliedern des Ensemble nachgesagt. Abgerufen wurden sie dennoch eher selten. Breiten wir über das Gewesene den Mantel des Schweigens. Der wirklich springende Punkt ist nämlich ein ganz anderer. Es ist aus berufenem Grund nur inständig zu hoffen, daß die Borussia in den nächsten Tagen Señor Insúa unter Vertrag zu nehmen weiß.
Sollte er auch nur einen Bruchteil seiner vielzitierten Genialität besitzen, dann ist der Mannschaft schon weitergeholfen. Und hoffentlich ist er obendrein auch noch ein bißchen wahnsinnig. Denn das ist es, was die Mannschaft dringend braucht. Die Zuschauer sowieso. Wer in den letzten Wochen die bekannten Internetforen überflogen hat, die Verzweifelung und Sehnsucht gespürt, den Wunsch nach etwas Außergewöhnlichem vernommen hat, der wird zweifellos zustimmen. Das Verlangen nach Genie und Wahnsinn war schon lange nicht mehr so groß wie dieser Tage. Peer Kluge? Technisch versiert, lauffreudig, zweikampfstark, aber, mit Verlaub, kein Leader. Wahnsinnig schon mal gar nicht. Eugen Polanski? Braucht noch ein bißchen Zeit und wird an starken Mitspielern mit Sicherheit wachsen. Und Thomas Broich? Hat erst recht emsig um den Karlheinz-Pflipsen-Gedächtnispreis gekämpft und sich dann kurzerhand Richtung Köln verabschiedet. Schade, da wäre definitiv mehr drin gewesen.
Statt an dieser Stelle in leisem Gedenken an einen «etwas anderen Profi» Adorno oder Horkheimer zu bemühen, halte ich es in dieser Hinsicht dann doch lieber mit den rheinischen Nachbarn und konstatiere: «Watt fott es, es fott!» So bleibt es denn bei der Tatsache (weitere Beispiele der Vergangenheit zur Untermauerung meiner These seien hier aus Zeitgründen außen vorgelassen), daß seit der Demission des «Tigers» kein Borusse mehr dem Anforderungsprofil eines wirklichen Spielmachers zu entsprechen wußte. Dem Profil eines Kickers mit Reibungsfläche, einer der die Zuschauer abwechselnd in Ekstase versetzt oder wahlweise zur Verzweiflung treibt. Ein Spieler der polarisiert wie kein Zweiter im Team und einer, an dem man sich bei Bedarf auch mal mit Laune verbal abarbeiten kann. Das ist genau die Rolle, die unserem neuen Mann im offensiven Mittelfeld zugedacht sein wird. Ich hoffe, seine Schultern sind dafür breit genug. Und es ist ja gar keine Frage, daß er dieser Rolle auch in wenigstens einer Hinsicht gerecht werden wird.
«Wir müssen ansehnlicher spielen», diktierte Bo Svensson den Kollegen der Torfabrik vor einigen Tagen in die Blöcke. Wie genau das aussehen wird, das werden die ersten Bundesligapartien zeigen. Fest steht aber, daß die Vorstellungen des Trainers bereits in den Köpfen des Personals angekommen zu sein scheinen. Intelligent will Jupp Heynckes spielen lassen. Und dazu braucht er neues Personal. Junges, williges Personal, das seinen Ansprüchen gerecht wird, bereit sich formen und lenken zu lassen. In diesem Punkt unterscheidet er sich schon jetzt deutlich von seinem Vorgänger. Horst Köppel schien irgendwann leider den Überblick verloren zu haben, was mit dem vorhandenen Kader machbar war. Jetzt gibt es immerhin wieder ein Konzept. Aber Heynckes hegt nicht nur konzeptionelle Vorstellungen hinsichtlich der angestrebten Spielweise. Geradezu bemerkenswert ist die Einsschätzung seiner persönlichen Situation. Er ist nach eigenem Bekunden losgelöst von allem, sein Job ein professionell ausgeführtes Hobby.
Eine geradezu phantastische Voraussetzung für ein erfolgreiches Unterfangen mit der Borussia. Noch während böswillige Zungen eine laxe Berufsauffassung attestieren wollen, gilt es Einhalt zu gebieten. Will sagen, wer seinen Kritikern mit dem Brustton der Überzeugung entgegenschmettern kann: «Ich brauch Euren Scheiß nicht mehr, und wenn mir einer hier blöd kommt, dann sucht Euch halt einen anderen Deppen!», der weiß mit größtanzunehmender Sicherheit, was er denn tatsächlich will. Das war zuletzt nicht immer so. (Es ist darüber hinaus zu wünschen, daß auch die allzeit bereiten Herren vom Boulevard diese Worte aufmerksam mitgeschrieben haben) Der letzte Trainer in Diensten der Borussia dem eine ähnlich fundamentale Berufsauffassung nachgesagt werden konnte, war der großartige Hans Meyer, gerade erst wiederentdeckt in Nürnberg, ebenfalls mit großer Wirkung. Erfolg durch Kontinuität, Qualitätsarbeit dank Beharrlichkeit.
Der ein oder andere Spieler im aktuellen Kader wird den neuen Konzeptfußball in der kommenden Spielzeit nicht mehr miterleben dürfen, davon ist auszugehen. Und das ist vielleicht gar nicht schlecht. Auch wenn man es fast ein bißchen Leid war. Die x-te Erneuerung der Mannschaft war zwingend notwendig. Dringend gefordert wurde ein echter 10er, den scheinen wir nun zu bekommen. Obendrein ist es noch ein bißchen mehr geworden. Also doch, vergleichen wir die Namen und die bisherigen Meriten, um zum Ausgangspunkt zurückzukehren, ein bißchen mehr Masse statt Klasse? Nicht unbedingt. Die von Jupp Heynckes und Peter Pander initiierte Frischzellenkur wird in der kommenden Saison Früchte tragen. Das defensive Spiel mit der Doppelsechs ist bereits einstudiert. Bleibt genug Zeit, den Kader auf das Offensivspiel mit Spielmacher vorzubereiten. Und wenn dann noch die erholten WM-Helden zum Team stoßen, dann kann eigentlich nichts mehr schiefgehen. Die wissen ja bereits, was man mit akribischer Arbeit und jugendlichem Elan so alles erreichen kann.
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