Eines hat mich die ganze Zeit an dieser Sache mit Herrlich gestört. So richtig konnte ich es nicht einordnen, aber nach nochmaligen Anschauen der einschlägigen Mitschnitte wird es klar. Herrlich redet zuviel von sich selbst. Seinen Mut in allen Ehren, und dass er mal seinen Kindern von seiner Standhaftigkeit erzählen kann:
good for you! Wenn er aber sinngemäß sagt, dass ihm der Job gerade in dieser schwierigen Situation erst richtig Spaß mache, ist das sehr schwer nachzuvollziehen. Im Kampf eines Vereins um den Klassenerhalt müssen die Privatinteressen einzelner zurückstehen.
Bildblog hat sich der Sache mit gleich zwei Artikeln angenommen. Im
zweiten allerdings verrutschen die Perspektiven ein wenig. Wenn der Autor am Anfang davon spricht, dass nach dem Rauswurf Herrlichs mutmaßlich die lokalen Bildfuzzis die Sektkorken knallen lassen, suggeriert er (wohl richtigerweise) eine Kampagne der Bild, die zu einem positiven Ende geführt wurde ("…
der Aufwand war hoch gewesen"). Am Ende des Beitrags, in dem es vor allem um Details dieser Kampagne geht, zitiert er aus einem Beitrag auf
reviersport.de, der die mächtige Stellung der Bild im Fußball herausstreicht. Zitat von dort: "
Jedem Kind dürfte es bekannt sein, dass man sich in Deutschland nicht mit der Zeitung mit den vier großen Buchstaben anlegt, erst Recht nicht dann, wenn sich Erfolglosigkeit eingestellt hat. " Und dann wieder Bildblog: "
Wenn sich diese Einstellung und der Glaube, Herrlich sei tatsächlich nur auf Druck von 'Bild' entlassen worden, durchsetzen sollten, war der Donnerstag tatsächlich ein großer Tag für die 'Zeitung mit den vier Buchstaben'"
Also doch keine Kampagne? Oder war es eine Kampagne, die aber nicht ursächlich zur Entlassung geführt hat? Warum wurde Herrlich eigentlich entlassen? Und warum ist das Verständnis über die Bildzeitung "irritierend", wenn es aufzeigt, dass Bochum nicht der erste Verein wäre, der dem Druck aus den Bild-Redaktionen nachgegeben hätte? Wenn sich der VfL Bochum jetzt hinstellt und mitteilt, man werde weiterhin "kooperativ" sein, aber die "Basis für eine konstruktive Zusammenarbeit [mit der BILD] sei aber kaum noch vorhanden" (via Bildblog-Artikel) ist das wohlfeil. Was heißt das? Weiterhin Schnittchen und Gulasch bei den Pressekonferenzen aber keine Home-Stories mehr?
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Ein Trainer sollte einen Privatkrieg mit einzelnen Vertretern der Bild nur dann anzetteln, wenn es mit anderen Entscheidungsträgern des Vereins abgestimmt ist. Das muss noch nicht einmal voraussetzen, dass man erfolgreich ist, aber es hilft sicherlich. Ansonsten sollte er seiner Arbeit nachgehen und dafür sorgen, dass es in der Mannschaft stimmt. Wenn die Mannschaft ihr Potential abruft, und das hat sie im Fall Bochum im Vergleich zur Ära von Marcel Koller mit Sicherheit nicht, wird auch einem Trainertypen wie Herrlich "keine Gefahr" drohen. Dann kann er nebenbei an den Geschichten für seine Kinder und Enkel feilen.
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