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Auf die Couch oder zur Hölle - Die Möglichkeit einer Kritik

Sehr verehrte Freunde des spochtverbundenen Vergnügens,

wer Spieler und Führungspersonal der Borussia kritisiert, der wird schon fast reflexartig immer und immer wieder mit denselben Totschlagsphrasen seiner Gegenredner konfrontiert. Wer z.B. meckert, der kann partout kein echter Fan, ist da ständig zu hören. Wer mosert oder sogar Köpfe fordert, auf den könne man verzichten, der gehöre nicht wirklich dazu, diesem liege die Borussia nicht am Herzen, ihm wäre weder ernsthaft Gehör zu schenken noch Zurechnungsfähigkeit zu attestieren undsoweiterumsoeinfältiger. Man würde die schon verunsicherte Mannschaft durch sein Gebaren nur noch stärker verunsichern, was ja nun nicht im Sinne der gemeinsamen Sache wäre und daher absolut ablehnungswürdig. Es einem darüber hinaus an Ausdauer und moralischer Integrität mangele, man typisches Mitglied der modernen Wegwerfgesellschaft sei, die «Generation Golf» oder wahlweise «Generation X» also, auf der Suche nach stupender Unterhaltung, welche Partner(innen), Autos und Mobiltelefone dem Zeitgeist entsprechend anpasse und bei Mißmut oder nach Ablauf der Herstellergarantie einfach aus-, bzw. umtausche. Die echten Fans hingegen überschütten ihre(n) Angebetete(n) mit kritikloser Liebe, ersehnen und schenken verschwitzte Streicheleinheiten, haben immer grenzenloses Verständnis und krähen ihre Treueschwüre in Richtung Orkus, auf das dieser sie niemals scheiden möge. Puh, für Stadtneurotiker ist das der Romantik eigentlich schon zu viel. Ich könnte das seit Wochen Gelesene und Gehörte noch ewig ausführen, tue dies aber nicht, weil es a) zuallererst unglaublich falsch und dumm ist und sich b) abgesehen davon nun wirklich niemand ungefragt von jedem Dahergelaufenen in seine Beziehung quatschen lassen muß.

Womit wir beim Kern wären. Konflikt- und Krisenbewältigung gestaltet sich unterschiedlich und äußerst individuell. Mal mag man Probleme zugegebenermaßen einfach aussitzen wollen, nicht ständig reden, weil ja sowieso immer viel zu viel geredet wird, eventuell einfach nur ein debiles Lächeln aufsetzen und hoffen, der Knoten löse sich schon wieder von selbst. Möglicherweise möchte man aber aus purem Eigeninteresse nachfragen, wo denn bitteschön jetzt schon wieder genau das Problem liege und bei Mißfallen der als lapidar empfundenen Antwort Kritik üben, den eigenen Finger in die fremde Wunde legen. Dadurch werden Probleme zwar einerseits weder unbedingt schneller noch besser gelöst (oder eben auch gar nicht), es bezeugt andererseits aber auch keineswegs, und das ist der wirklich springende Punkt hier, die eigene Empathie- oder Sympathielosigkeit, die einem in entsprechendem Fall zum Vorwurf gemacht wird. Natürlich wird man mit den Jahren milder und gelassener, lernt so manch vermeintliche Macke des Anderen als liebenswürdige Eigenart zu schätzen. Böse Zungen würden und werden trotzdem nach wie vor behaupten, daß Liebe zwar im Groschenroman ohne Krach, Krisen und Kritik auskommt, im richtigen Leben aber nicht. Denn Liebe ist nun mal gleichzeitig auch immer mit einer gewissen Erwartungshaltung (das Unwort!) verbunden, die es so ganz nebenbei zu befriedigen gilt, egal wie hoch oder niedrig sie auch sein mag; und das führt bei anhaltender, einseitiger Mißachtung mitunter zu Krisenstimmung. Wie diese Anspruchshaltung im Einzelfall aussieht und in welchem Maß man sie reziprok zu erfüllen in der Lage ist, daß macht dann der Einzelne bitte mit sich selbst aus. Dafür braucht es aber nun wahrlich kein Zutun triebhafter Nebenbuhler.

Kleines Beispiel gefällig? Das Geringste, was der Verein von mir verlangen kann, ist, meine ich es denn ernst mit ihm, meine zweckgebundene (juristisch) Treue. (Ja, auch in schlechten Zeiten) Die bekommt er auch seit ich mich erinnern kann und daran wird sich nichts ändern. Das ist sein kleinster gemeinsamer Nenner mit mir. Weitere Annehmlichkeiten, meine Unterstützung vor Ort, meinen vernehmbaren Applaus, mein Geld für Eintrittskarten und Devotionalien, etc., sind situationsabhängiger Bonus, gerne gegeben, aber u.U. den örtlichen Bedingungen, der Lebenssituation oder schlicht und ergreifend dem verfügbaren Lustfaktor geschuldet. Bitte nicht vergessen, liebe Freunde des spochtverbundenen Vergnügens, wir reden hier über einen Fußballverein, nicht weniger, aber auch nicht über mehr. Was verlange ich von ihm? Der kleinste gemeinsame Nenner meiner Anspruchserwartung an ihn? Unterhaltung im zweckgebundenen, fußballerischen Sinne. Lieber gute Unterhaltung natürlich, aber auch schlechte Unterhaltung ist in dieser Hinsicht Unterhaltung, solange sie sich wenigstens an gerade erwähntem Maßstab orientiert. Und das über volle 90 Minuten plus Nachspielzeit. Wenn dann der Trainer, sollte ich ihn richtig verstanden haben (und ich hoffe inständig, die Kollegen haben sich vertippt), tatsächlich vor dem nächsten Spiel als Parole ausgibt, man möge doch mindestens 70 – 75 Minuten so auftreten, wie am Ende gegen Stuttgart, dann spottet das nicht nur jeder Beschreibung, es hat, nicht mal ansatzweise, auch nur etwas mit unserem kleinsten gemeinsamen Nenner zu tun. Solch ein Satz aus dem Mund eines Verantwortlichen ist, nach meinen Maßstäben und gerade in der augenblicklichen Situation, absolut nicht akzeptabel. Die Jungs müssen unter der Woche schließlich nicht auch noch gegen Barcelona ran.

Spochtsfreunde, ein 20 minütiges Alibi gegen desorientierte Stuttgarter in München auf mindestens 70 – 75 Minuten aufzublähen, das reicht nicht! Es reicht nirgendwo. Das hat vor dem mildesten Richter keinen Bestand und nicht gegen Bayern, die sich unter der Woche schon mal in bumsfideler Ballerlaune präsentieren; es reicht auch nicht gegen Mainz und Bochum. Es reicht Euch nicht, weil ihr so keinen Blumentopf gewinnen werdet, und dann heißt es für viele von Euch am Ende der Saison «Gute Nacht, Marie». Mir reicht es auch nicht, weil ich des Samstags nun mal nicht Fußball irgendeiner Mannschaft schaue, sondern Euch. Deshalb noch mal zum mitschreiben: «F-u-ß-b-a-l-l» lautet das Zauberwort. So gut es eben geht, mehr verlange ich gar nicht. Mehr wäre zwar schön, aber ich sehe ein, daß das im Augenblick nicht zu machen ist. Wenigstens der ehrlich gemeinte Versuch über die volle Spieldistanz ist zu verlangen. Sollte allerdings außer dem Trainer noch jemand der Ansicht sein, 70 oder 75 Minuten schadlosen Rumstehens inklusive Fehlpassfestival seien immerhin schon ganz erklecklich, dann wird spätestens ab Montag wieder über ihn zu reden sein. Ohne gespielte Sentimentalität. Paartherapie im Schongang funktioniert nicht, solange einer von beiden Ohren und Hirn auf Durchzug stellt. Da mir unser kleinster gemeinsamer Nenner Unterhaltung wirklich etwas bedeutet, wird, sollte mir danach sein, weiter Tacheles geredet werden müssen. In der liebevollen Hoffnung, die wirklich Betroffenen hören dann endlich mal wieder zu. Der Zweck heiligt schließlich die Mittel.